Da passt man einmal kurz nicht auf, und schon lebt man seit zwei Monaten wo.
Ach, Berlin. Du machst mich staunen.
Manchmal überrollst du mich einfach, mit all deinen Möglichkeiten. Dann fühle ich mich wieder wie mit acht und strohblonden Haaren, als man mir erklären wollte, wie groß die Welt ist, und was genau es heißt, wenn man alles machen kann, was man will.
Es gibt hier hundert Parks, fünfhundert Bus- und Bahnverbindungen, tausend Straßen und Wege, zehntausend Cafés + Restaurants, hunderttausend Mal Kulturkram, eine Million Kneipen. Und dreikommavier Millionen Menschen. Für ein Landkind wie mich ist das verdammt viel.
Ach, Berlin.
Ich mag deinen Rhythmus, deine Rast- und Ruhelosigkeit. Irgendwo hat immer ein Laden auf, irgendwo kommt immer die nächste Party, die nächste Kneipe her. Seit Wochen komme ich mit dem Schreiben und den Bildern nicht hinterher, weil so vieles so gut ist, hier.
Manchmal gehst du mir echt ganz schön auf den Geist. Wenn der zehnte Krankenwagen in einer Stunde unterm Fenster durchrauscht, wenn der Verkehrslärm dröhnt, und wenn die blöden Touristen wieder nicht verstehen, dass sie im Bus nicht auf der gelben Markierung stehen dürfen, da sonst die Türen nicht schließen.
Ach, Berlin. Meine Stadt.
Ich habe aufgehört, alle Naselang den Fernsehturm zu fotografieren, ich finde mich problemlos zwischen Bus, U- und S-Bahn zurecht, am Brandenburger Tor bin ich nur mal per Zufall vorbeigeschrammt, und jeden Tag fahre ich am Schloss Bellevue vorbei, na und? Nächster Halt: Am Stern.
Und langsam … langsam komm ich rum. Ich kenne Frühstückscafés, Bäckereien, den liebsten türkischen Gemüsehändler, und Orte, wo es gutes Essen gibt, Veggie-Burger, Döner mit Feta, heiße Suppen und Kleinigkeiten auf Asiatisch. Ich weiß, wo das bequemste Bett der Stadt steht, wo man den besten Kuchen kaufen kann, in welchem Supermarkt die netteste Kassiererin der Welt arbeitet (Eigenlob, ‘tschuldigung, hihi), und wo es diese tollen T-Shirts mit Prints gibt. Ich weiß die beste Theke für ein Bier abends, und ein kleines, verschwiegenes italienisches Restaurant für spät nachts. Und ich kenne einen Spielplatz, von dem man nachts die Sterne sieht.
Manchmal fragen mich die Leute, wie lang wohnst du denn jetzt hier?, und dann sage ich stolz zwei Monate, schon. Da lachen sie, und ich erzähle, wie oft ich dieses Jahr umgezogen bin. Und dass zwei Monate an einem Ort ganz schön lang sind, für eine wie mich, und dann zitiere ich Hans Fallada (“Im besten Fall erobert Berlin uns, und das hat es bei mir gründlich getan.”) und sage “jawoll!”