Sind meine Nachbarn Nazis?

Hier auf dem Land, in einem 5.100-Einwohner-Dorf, wohnen quasi nur Deutsche. In den nächsten größeren Städten gehören Frauen mit Kopftuch oder Sari oder Männer mit Turban zum Straßenbild, bei meiner Arbeit sind mindestens 50% aller Kunden Ausländer. Doch je weiter man von dort weg Richtung Norden fährt und je kleiner die Ortschaften sind, desto weniger werden es.
Hinzu kommt, dass durch die häufig über Jahrzehnte gewachsenen Gemeinschaften, viele der Einwohner hier ziemlich misstrauisch gegenüber Fremden sind, egal ob Ausländer oder nicht.

Es stellt sich nur die Frage: Wie weit geht dieses Misstrauen?
Ein Haus weiter befindet sich ein kleiner Blumenladen, ziemlich goldig eigentlich. Der Laden wird betrieben von zwei jungen Männern um die 23, 24. Sie sind Skinheads. Und tragen Lonsdale-Pullis.
Und deshalb wüsste ich doch zu gerne – wissen die, was sie da tun? Und tun sie es absichtlich?

Die Marke Lonsdale stammt aus Großbritannien, dort wurde das erste Geschäft 1960 in Soho, London, gegründet. In Deutschland erfreuen sich Produkte dieser Marke großer Beliebtheit bei Neonazis. Dafür gibt es mehrere Gründe:

Trägt man ein Sweatshirt mit dem Lonsdale-Schriftzug unter einer offenen Bomberjacke, sind meist nur noch die Buchstaben “NSDA” zu erkennen – setzt man noch ein “P” hinzu,… Eine Anspielung auf die NSDAP. Diese Zeichenfolge tatsächlich zu tragen ist verboten – so jedoch kann niemand belangt werden, da es ja nicht offensichtlich geschieht (es kann kein Vorwurf der Verletzung von §86a StGB (Verwendung von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen) erhoben werden). Man könnte also von einer Art inoffiziellem Erkennungszeichen sprechen.
Eine tatsächlich von Neonazis betriebene Kleidungsmarke trägt den Namen Consdaple – hier ist “NSDAP” vollständig enthalten. Mit den Einnahmen werden neonazistische Gruppierungen unterstützt.

Zudem hat das Ganze einen kulturellen Hintergrund.
Die Skinheads in den Arbeitervierteln englischer Großstädte begannen schon Ende der 1960er Jahre die typischen Arbeiterschuhe zu tragen – und dazu Lonsdale-Kleidung.

Nach Bekanntwerden dieser Gründe hat Karstadt/Quelle 2006 die Marke komplett aus dem Programm genommen – allerdings nur für einige Tage.

Lonsdale und die in Deutschland für den Vertrieb zuständige Firma Punch haben inzwischen ein wahres Marketing-Feuerwerk gezündet, um den Ruf des Lieferanten für Neonazi-Kleidung loszuwerden: Der Christopher-Street-Day 2005 und Projekte gegen Rassismus wurden ebenso gesponsert wie eigenen Kampagnen, beispielsweise unter dem Motto “Lonsdale loves all colours”. Desweiteren schaltet Lonsdale in letzter Zeit öfter Werbekampagnen mit dunkelhäutigen Models, um sich von den Vorwürfen zu distanzieren. Seitdem hat sich das Lager im neonazistischen Milieu geteilt – in die, die Lonsdale seitdem boykottieren – und die, die die Marke weiterhin tragen.
Es zeigt Wirkung: Laut einem Lonsdale-Mitarbeiter ist „im Brennpunktgebiet Sachsen unser Umsatz seit September 2003 um 75 Prozent eingebrochen“.

Generell geht der Trend bei Nazis ohnehin zu weniger auffälliger, “gesellschaftsfähiger” Kleidung (Zitat Musik- und Bekleidungsversand “Endzeit”). Dafür war dann vor kurzem erst auf einer Tasche des spanischen Modeunternehmens ZARA ein Hakenkreuz aufgestickt.

Und selbst wenn – wenn ich will, dass niemand nach der lauten öffentlichen Diskussion auch nur im entferntesten von mir denkt, ich könne rechtes Gedankengut vertreten, trage ich solche Pullis doch einfach nicht!
Ein stumpfer Nachgeschmack bleibt.

One comment

  1. Hm…Ich selber trage Lonsdale & Fred Perry – ohne Nationalsozialistische Gedanken zu haben.Und ich habe auch schon dunkelhäutige Mitbürger mit dieser Kleidung durch die Straßen laufen sehen.Nicht jede Frau die einen Minirock und Stiefel trägt ist automatisch ne Nutte…😛

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