Und was haben Sie auf dem Zettel?

Es gibt da ein Spiel: Jemand schreibt einen Satz auf einen Zettel, knickt den Satz weg, der nächste schreibt daran weiter. Das spielt man endlos oder bis der Zettel voll ist, irgendwann wird aufgelöst und alles ergibt einen Sinn. Oder auch nicht.

Ein sehr später Abend, vier Männer (Lumpensammler, MannvomBalkon, meiapopeia, randalez) und eine Frau in einer Kneipe. Fünf Poeten, Bier und Wein, ein Kugelschreiber, ein Notizblock und die Frage: Sinkt mit steigendem Alkoholpegel die lyrische Qualität?

Lesen Sie selbst:

 

Kneipe I

Ich ess’ Blumen stets mit Stil
sprach der Stein, bevor er fiel,
aber ach – es hat geschmeckt
und dann bin ich dran verreckt,
weil man ja auch niemals weiß:
warum riecht’s nach kaltem Schweiß
wie Gitarren und Zitronen,
huch, das waren doch Ikonen!
Vielleicht kennen Sie’s ja auch?
Fühl doch mal an meinen Bauch.

 

Kneipe II

Damals auf dem Fahrrad, da haben wir gesessen,
ohne jemals Currywurst und Fischragout zu fressen
hab ich nichts, Bier ist noch da, was will ich mehr von diesem Leben?
Oh doch, es fällt mir ein, es ist der reine Saft der Reben!
Gerstensaft, was bitte ist das denn eigentlich für ein Wort?
Genau genommen auch egal, für dich beging’ ich einen Mord.
Es ist niemals zu spät, um ganz am Ende zu verstehn,
wann es zu spät ist, um zu früh nach Hause und zurück zu gehn,
in dem Moment, der mir das Blut in allen Adern frieren lässt
oh Scheiße, Mann, auch das noch – jetzt hab ich mir eingenässt.

 

Kneipe III

Man weiß ja nie ganz, was man noch glauben soll,
die Welt dreht sich weiter und ich mitttendrin,
mein Herz ist so leer und der Mond ist so voll,
jetzt gegen ‘ne Mauer oder wo will ich hin?
Die Hand in der Tasche zur Faust schon geballt,
das Leben verhöhnt mich doch an jedem Tag,
ich schrei’ in die Berge, ich schrei’ in den Wald,
ergeb’ mich doch allem, was noch kommen mag.

 

Kneipe IV

Neonlicht und Straßenlampen, schwarze Risse, blaue Türen,
die uns – wohin? – in die Zimmer mit den grauen Sofas führen,
nichts von dem, was du mir sagst, ergibt für mich noch einen Sinn,
denn ich bin doch ganz alleine, auch wenn wir zu zweit jetzt sind.
So gehe ich von hier nach dort und bin für alle Zeichen blind,
bin auf der Suche nach der Strecke, auf der wir geblieben sind.
Einstmals waren wir kurz glücklich, doch es hielt nicht lange an,
der, die, das und wer, wie, was, wieso, weshalb, warum und wann,
du begibst ohne Rettungsringe still und heimlich in den Malstrom,
wusst noch nicht, wie das denn klingt, deutsch ausgesprochen: alone,
doch im Fallrohr wächst das Gras, es blühen Dost und Mauerpfeffer,
und dann ziel ich und dann werf ich und dann schrei’ ich ganz laut: TREFFER!

 


(Danke, Jungs. Es war großartig.)

By L.

I walk fast.

3 comments

  1. Genau, einfach sagen oder, wenn der Abend später wird, auf einen Zettel schreiben. (Sorry für die späte Antwort, war im Urlaub.)

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