Ein Lebensgefühl wie Einparken

Jetzt in diesem Moment ist die Wahrheit, dass du Recht hast mit allem. Aber das hast du dir, glaube ich, schon gedacht.

Dieses Jahr fing an mit einem schwarzen Flügel in einer Hotellobby, auf dem ich nicht spielen durfte. Es ging weiter mit einem schwarzen Flügel in einem Wohnzimmer, auf dem ich ein Lied spielte, zu dem ich gerne singen wollte, aber nicht konnte. Dazwischen habe ich die Holunderblüte verpasst.

Im Weinglas in der Küche schwimmen die Fliegen. Elf Stück sind es, ich zähle sie, als ich den Wein in die Spüle schütte.

Mein Herz schlägt schneller.

Es ist noch immer heiß in der Stadt. Vorsichtig gehe ich durch die Straßen, die Füße auf dem heißen Asphalt im störrischen Gang derer, die in Wahrheit lieber zuhause in einer Ecke liegen und Vorwürfe gegen die Zimmerdecke rufen würden. Nur mehr tastende, langsame Bewegungen, nicht mehr als unbedingt notwendig, und auch diese wenigen mit ausdrücklichem Widerstreben. Als das unbedingt Notwendige getan ist, taste mich an Hauswänden entlang zurück in die Wohnung und sperre den Sommer aus.

Ich ziehe die verschwitzten Sachen aus, dusche kalt und reibe einmal mit dem Handtuch über meine Haare. Der größte, völlig klare und doch vorher kaum fassbare Unterschied nach dem Haareabschneiden war, dass da plötzlich nichts mehr war, das mir ins Gesicht fiel, beim Sex auf anderen Körpern landete, lang und rotblond auf dem Boden liegenblieb und auf den Staubsauger wartete. Nichts derart Offensichtliches mehr zurückzustreichen, wegzuhalten und beim Wohnungsputz wegzuwerfen. Und all das ist so ziemlich das Beste daran, neben der Gewissheit, immer den Wind im Nacken spüren.

Ich höre Musik von neunzehnhundertachtundneunzig und lese das Internet von zweitausendvierzehn. Ich kehre an einen Ort zurück, den ich seit sehr langer Zeit nicht mehr sah; lese alte Zeilen darin, offenbar verfasst von mir. Es kommt mir vor, als läse ich die Texte einer Fremden. Ich vergleiche es mit dem Heute und frage mich erst, was denn jetzt eigentlich wahr ist und dann, ob ich mir nicht allein schon mit dieser Frage etwas vorlüge.

Denn ich weiß, dass alles wahr war und alles wahr ist. Und wahr wird es immer sein, aber selbst im allerbesten Fall immer nur für ganz genau einen Moment. Für einen Moment, der sich nur in den seltensten Fällen wiederholt. Mehr Wahrheit ist nicht drin. Ich finde das sehr gut so.

Wenigstens ein paar Haare ausgerissen letztes Wochenende.

By L.

I walk fast.

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