Segelboot, trotz allem (Szenen)

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In der Küche liegen noch einige Zettel, kleine Grüße in fremder Handschrift aus den drei Minuten vor Verlassen des Hauses. Sorgsam schichte ich sie auf einen Stapel und stelle das nutella-Glas darauf.

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Es ist Montag, ich gehe in den Waschsalon. Als ich die Waschmaschine einschalten will, merke ich, dass ich meine Mütze noch trage, ziehe sie mir vom Kopf und werfe sie in die Trommel.

Viele Autos in Russland haben eine kleine Kamera eingebaut, die das Geschehen in der Umgebung filmt, 5 Minuten lang speichert und dann wieder überschreibt. Wird man in einen Unfall verwickelt, drückt man einen kleinen Knopf und alle Bilder der letzten 5 Minuten bleiben dauerhaft gespeichert. Letzteres ist der Stand der Dinge.

Ich habe eine Trocknerbenutzung gekauft, 15 Minuten, 60 Grad. Ich öffne die Tür mit dem schwarzen Griff, werfe nur die Mütze hinein, und dann setze ich mich davor und sehe zu, wie das kleine schwarze Bündel in der riesigen Trommel herumwirbelt.

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Da war, vor einer nicht näher bezeichneten Anzahl von Tagen, dieser eine, kurze, halb von der Seite streifende Blick. Und seitdem.

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Ich habe mich aus der Wohnung ausgesperrt. Alles, was ich dabei habe, sind mein Personalausweis, ein Päckchen Kaugummi, ein Sack nasse Wäsche, eine trockene Mütze und 27 Cent. Das Geld drücke ich an der nächsten Straßenecke jemandem in die Hand. Geht, so.

In der U-Bahn, ein Kind mit einem Cello steigt ein und die Frau mit den kurzen braunen Haaren und den riesigen Augen sieht mich an. Lächelt.

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Er sitzt mir gegenüber, breitbeinig wie immer, eine Hand in den Haaren vergraben, mit der anderen fährt er sich übers Gesicht. Es sind diese kleinen, vertrauten Gesten, die bleiben. Immer. Trotz allem.

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Dienstag, in der Bar hockt ein Mann, mehr ein Junge, an einem Zweiertisch, er sitzt alleine mit seinem Buch, manchmal streicht er sich die blonden Haare aus dem Gesicht. Auf seinen rechten Oberarm, halb verdeckt vom T-Shirt-Ärmel, ist ein Segelschiff tätowiert. Es ist ein Dreimaster.

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Ich sitze in einem Bus, es ist angenehm warm hier drin, die Menschen sind leise, ich höre gute Musik, wir fahren durch die Nacht und es wäre völlig in Ordnung, jetzt einfach so weiterzufahren, und gerne auch für immer.

Man sollte eh häufiger einfach mal behaupten, dass es für immer ist. Mal nur noch das machen, wovon man das wollen würde, dann zur Eingewöhnung so tun als ob und schließlich einfach daran glauben, dass es für immer sein kann. Für immer ist. Oder wenigstens fast.

Große Lust, einfach falsch umzusteigen und durch die Nacht zu fahren. Für immer.

Vielleicht auch im Taxi.

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Ich steige aus der Bahn aus und gehe die Treppen hoch, auf der letzten Stufe zünde ich mir eine Zigarette an, ich laufe geradeaus, über das Lüftungsgitter, vorbei am Theater, namenlosen Sträuchern, Bäumen, Gewächshäusern, unter der Kastanie durch.

Es ist finster, ich sehe, spüre, sage nichts, da bricht die Zigarette ab, zwischen meinen Fingern nur noch der Filter, und ich merke, dass es seit einem halben Kilometer in Strömen regnet.

Ich gehe in der selben Geschwindigkeit weiter, der Regen wird stärker, meine Jeans kleben an meinen Beinen. Als ich in die Wohnung komme, tropft das Wasser aus meinen Haaren, fällt zu Boden, dann liegt es da und ich hole einen Putzlappen.

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Meide keine Pfützen.

By L.

I walk fast.

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