Revolutio…oooh, ein Eichhörnchen!

++ 24.08. Update: weitere Beiträge zur Diskussion am Ende des Artikels ++

tl;dr: Für dich habe ich dieses niedliche Eichhörnchenvideo vorbereitet. Und dann geh spielen.

In den letzten Wochen ging eine Reihe von Texten durchs Netz, in denen Menschen schrieben, dass sie Sachen nicht verstehen.

Ich kann das gut verstehen, das Nichtverstehen, das Dasitzen und “WTF???”-Denken, das Haareraufen vor Fassungslosigkeit, das Händeringen und das Aufgeben der Hoffnung, dass es doch eines Tages einmal großflächig Hirn regnen möge. Ich verbringe die Tage nur noch zwischen Schreibtisch und Gesichtspalme, von den Gesichtspalmen habe ich inzwischen so viele, dass ich ganz Berlin (und Brandenburg!) mit einem Palmengarten bepflanzen könnte. Ich traue mich kaum mehr, eine Zeitung aufzuschlagenrufen, weil ich genau weiß, dass wieder nur die selben Worthülsen von den selben Leuten drinstehen, wieder nur die selben Schreckensmeldungen. Im Westen nichts Neues. Im Norden, Süden und Osten genauso wenig. Die Tage und Meldungen unterscheiden sich nur noch darin, dass sie das scheinbar Unmögliche tun: und die Grenze des möglichen Entsetzens wieder ein Stück weiter nach außen verschieben.

Gleichzeitig glaube ich aber auch, dass das nicht-“Verstehen” der falsche Terminus ist. Denn uns allen ist doch sowas von klar, warum all das geschieht. Warum die ganze Welt überwacht wird, warum alle jetzt mal Drohgebärden inszenieren, warum jeden Tag weltweit völlig bedenkenlos Verfassungen und Gesetze gebrochen werden, die Umwelt zerstört wird, die Pressefreiheit egal ist, warum weltweit Gewalt eskaliert und niemand etwas unternimmt, warum Nazis vor Asylanten den Hitlergruß zeigen.

Weil sie es können.

Und weil niemand sie daran hindert. Weil niemand sie daran hindern kann, geschweige denn will. Und mit “sie” meine ich Politiker, Regierungen, Geheimdienste, Verfassungs”schutz”, Polizei, Diktatoren, die Banken, die Wirtschaft, Nazis mit aus-der-Mitte-der-Gesellschafts-Hintergrund. Es ist nicht, dass wir all das nicht verstünden. Die Dimensionen der Ungerechtigkeit, der alltäglich gewordenen Rechtswidrigkeit, der “uns doch scheißegal”-heit der Mächtigen, der Geldgeilheit, der Feindlichkeit, der “alles für die Diplomatie!”-heit um uns herum sind nur inzwischen so groß, dass wir sie einfach nicht mehr fassen können. Begreifen können.

Die offiziell wichtigsten Werte der meisten Länder sind immer noch die Würde, Freiheit und Gleichberechtigung jedes Menschen, Frieden und Gerechtigkeit, Freiheit der Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit. Diese Werte sind aber, inzwischen sogar offiziell, den meisten Ländern einfach nur total egal. Weil längst andere Werte wichtig und zur Entscheidungsgrundlage geworden sind. Es läuft hinaus auf die altbekannten: Geld, Macht und Wissen. Und weil in diesem System Geld gleichzeitig auch Macht und Wissen nach sich zieht oder direkt zu selbigen führt, ist das, worauf es immer hinausläuft, Geld. Geld, Geld, Geld, Geld, Geld. Antrieb, Schmiermittel, Erhalter des Systems, in dem wir leben. Ja, ich spreche hier über

Das System

Das war mal ein Kampfbegriff, inzwischen ist es zum belächelten Schlagwort dahingeschrumpft. Wer nimmt denn heute noch Systemkritik ernst? Mal ehrlich – bislang konnte es in diesem System noch ganz behaglich haben: sich mal ein bisschen ärgern, dass es wieder so scheiße läuft um uns herum, angefangen bei den ganz kleinen Dingen, endend beim großen Ganzen. Sich ärgern, dass die Gebühren für den öffentlichen Nahverkehr in der eigenen Stadt wieder steigen und die Augenbrauen hochziehen, weil schon wieder irgendwo auf der Welt Bürgerkrieg herrscht. Dann hat man die Zeitung zugemacht, ist mit dem eigenen Auto zur Arbeit gefahren, hat seine acht Stunden abgesessen, fuhr zum Abendbrot nach Hause, schaute irgendwas im Fernsehen und ging ins Bett. Und am nächsten Tag alles auf Anfang. So ging das ein paar Jahre lang ganz gut, es war zwar irgendwie ärgerlich, dass der Blick in die Zeitung oder in die Nachrichten immer so einen Schatten auf das eigene, zwar nicht immer himmelhochjauchzende, aber doch ganz hübsch eingerichtete Dasein warf.

Nachrichten als Störfaktor zum Zuschlagen oder Ausschalten.

So war das mal. Und so funktionierte das ganz lange, wenn man nur rechtzeitig ausschaltete und nicht länger nachdachte. Ein guter Freund hat letztens gesagt “es ist schwer, eine Revolution zu starten, wenn der eigene Job daran hängt”. Die meisten von uns haben sich in die wohl am weitesten verbreitete Abhängigkeitsspirale begeben – a job you hate to buy crap you don’t need to impress people you don’t like. Wer Glück hat, macht das alles wenigstens für einen Job, der sowas wie “Sinn” verspricht, persönliche Entfaltung, Verwirklichung verheißt. Also haben wir uns irgendwie eingerichtet. In unseren netten kleinen Jobs, Wohnungen, Filterbubbles, Freundeskreisen, Communities, Netzwerken. Wir haben uns eine kleine, heile Welt gebaut, die immer wichtiger wurde, je mehr die Welt da draußen durchdrehte. Weil wir Schutzräume brauchen. Weil wir sonst durchdrehen würden, und weil jeder, der mehr als eine Gehirnzelle und eine Minute pro Tag darauf verwendet, über die gegenwärtigen Zustände nachzudenken, binnen kürzester Zeit dem Wahnsinn anheim fallen muss.

Mein Freundes- und Bekanntenkreis setzt sich in erster Linie zusammen aus halbwegs bis ziemlich politisch interessierten Menschen zwischen Mitte zwanzig und Anfang vierzig. Vor einiger Zeit noch bewegten sich die Diskussionen mit ihnen noch auf dem Level “Was können wir tun?”. Inzwischen haben sie binnen relativ kurzer Zeit dieses Niveau erreicht:

“Wir können nur noch zusehen, wie alles den Bach hinuntergeht.”
“Kommt, wir werfen unser weniges Geld zusammen, kaufen einen Bauernhof in Brandenburg, pflanzen Kartoffeln und richten uns so ein, dass wir im Fall der Fälle autark sind.”
“Hauptsache weg aus Deutschland.”

“Ich gehe nach Portugal und pflanze Rüben.”

Und, von den etwas Optimistischeren: “Es wird schon weitergehen. Es ist immer irgendwie weitergegangen. Also wird es auch diesmal wieder weitergehen.”

Wir (und damit meine ich erstmal uns in der westlichen Welt) sind immer noch in einer wahnsinnig privilegierten Lage. Wir sind zwar permanenter Spionage und einer unfähigen Regierung, aber weder Krieg noch anderen existenziellen Bedrohungen wie Seuchen oder Nahrungsmittel- und Trinkwasserknappheit ausgesetzt. Und selbst wenn das zunächst so bleiben mag, glaube ich, dass das mit dem Einrichten nicht mehr lange funktionieren wird. Und dass bald der Punkt kommt, an dem auch wir uns entscheiden müssen. An dem wir uns nicht mehr einrichten können, sondern klar Position beziehen müssen: ob wir okay sind damit, dass die Welt den Bach hinuntergeht, so lange wir unsere eigene Haut dabei retten. Oder ob wir etwas tun wollen, damit sich etwas für mehr als nur uns selbst ändert. Wir werden die Entscheidung treffen müssen, in was für einer Welt wir leben wollen. Und ich glaube, es gibt bald nur noch genau drei Optionen:

Option 1 – die Affen: Nichts sehen, hören, sagen, sich vollständig abschotten gegen alles, was passiert. Zusehen, dass man seine eigene Haut rettet. Und wenn die Welt dann untergeht, am Rand des Abgrunds stehen, freundlich winken und ein Erinnerungsfoto auf Facebook posten.

Option 2 – der Aufstand: Sich mit ähnlich Denkenden zusammentun, streiken, demonstrieren, die Welt mit kleinen Schritten und Maßnahmen verändern, neue Wege des Arbeitens und (Zusammen)Lebens proben, Regierungen stürzen, alles tun für die Veränderung und glauben und hoffen, dass es eine Veränderung zum Guten geben kann und wird.

Option 3 – das Einsiedlertum, auch möglich in Kombination mit 1 – Affen: Haus in Brandenburg oder irgendwo anders, vielleicht mit ein paar Vertrauten / Gleichgesinnten, oder alleine, zunächst noch einige Vorzüge des “Systems” (fließend Wasser! Strom! Internet!) nutzend, gleichzeitig proben für die Unabhängigkeit von alledem, um im Ernstfall gerüstet zu sein.

In jedem Fall werden wir uns entscheiden müssen, wenn wir nicht sehenden Auges durchdrehen wollen in Anbetracht des Wahnsinns um uns herum. Und mit “wir” meine ich auch mich.

“Das wird schon wieder.”

Ich bin völlig unpolitisch erzogen worden. Dass ich mich mit Politik und überhaupt den Weltgeschehnissen auseinandersetze, ist ein Prozess, der vor wenigen Jahren erst begonnen und an Intensität stetig zugenommen hat. Jetzt ärgere ich mich über mich selbst. Dass ich so lange so untätig war, zu lange gehofft habe, dass es schon von alleine besser wird. Geglaubt habe ich das nie, aber mich so verhalten, als wäre eine positive Veränderung aus dem bestehenden System heraus möglich. Blödsinn. Is nich. Ich kann nicht weiter tatenlos zusehen, im Status Quo verharren und abwarten, während alles den Bach hinuntergeht. Klar habe ich kein Patentrezept, keine ultimative Lösung. Und meine Frustration, meine Wut, sind groß, aber noch nicht so groß, dass ich meine Wohnung gekündigt, mein Zelt geschnappt und mit fliegenden Fahnen das Land verlassen hätte. Wenn alles so weitergeht, wird es aber nicht mehr lange dauern, bis ungefähr das passiert.

Das alles klingt immer so wahnsinnig groß. Die Frage ist doch, wie sehr wir uns von diesem System abhängig machen durch das, was wir jeden Tag tun. Ob wir nicht vielleicht versuchen wollen, mit weniger auszukommen, vor allem mit weniger Geld, ob das nicht genug sein kann und ein erster Schritt hin zu einer Veränderung. Wo weniger Geld ist, wo vor allem auch weniger Geld nötig ist, ist weniger Abhängigkeit. Und dabei geht es doch nicht nur darum, das ganz große Ding zu starten. Es geht auch um diese Alltäglichkeiten, die kleinen Schritte, in denen eine Veränderung möglich ist. Wie oft haben wir über alternative Energien und Transportmittel gesprochen, über die völlig ekelhaften Industrien, die wir schon mit unserem Lebensmitteleinkauf unterstützen, über die Frage, wie und womit wir unser Geld verdienen und wen wir damit unterstützen. Das ist alles nicht das, was die Welt verändern wird, wenn nur Eine_r es macht. Es ist genauso scheiße, wie alleine eine Demo zu veranstalten. Aber es ist ein verdammter Anfang.

Wir leben in einer Zeit, in der es für jedes “Ja” ein “Aber” gibt, für jedes digitale, einst Freiheit und Unabhängigkeit versprechende Internet eine Überwachung und für jeden freien Menschen eine Repression. Es ist eine Zeit, in der wir entweder unsere letzte Hoffnung und unseren letzten Veränderungswillen der Resignation zum Fraß vorwerfen. Oder endlich mal den Arsch hochkriegen und anfangen, etwas zu verändern.

Es ist an der Zeit.

Es ist an der Zeit, aus dem Bett aufzustehen.

Disclaimer: Ja, ich betrachte das in erster Linie aus der Perspektive einer Mitte 20-jährigen weißen Frau, die in einer deutschen Stadt lebt und zwar kein Geld und es beileibe nicht immer, aber doch meistens halbwegs gut hat. Ja, das ist ein ziemlich großes Fass, das ich da aufmache, für jemanden wie mich. Ja, ich bin polemisch und ja, ich pauschalisiere hier. Ja, es sind nicht alle™ so. Und ja, es ist mir scheißegal.

Ich habe lange genug differenziert.

Jetzt bin ich einfach nur noch wütend.

Update, 16:43 Uhr: auf Julias Kommentar hin die “Autarkie” in “Einsiedlertum geändert.

Update, 24.08., 22:20 Uhr: vielen Dank für das viele Weitersagen, Teilen und die Vielzahl der Kommentare, mir war es leider nicht möglich, früher darauf zu reagieren. Derweil haben sich woanders weitere Diskussionen entsponnen:

Der Beitrag bei Carta.
Bei Aufzeichnungen eines Gutmenschen.

Ich muss mir das alles erst einmal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen (nur macht sich die Ruhe hier gerade etwas rar) und womöglich werde ich dazu noch einmal etwas schreiben. Wenn Sie derweil weiterdiskutieren möchten – sehr gerne.

52 comments

  1. Entschuldigung, ich weiß nicht, ob mit “System” das kapitalistische oder das insgesamt herrschende gemeint ist, sprich, die Summe aller Unterdrückungsmechanismen (Kapitalismus, Rassismus, Patriarchat, …). Muss man klären.

    Achja, und die Revolutionäre von heute heißen Snowden, Manning und Assange. Man braucht keine Masse mehr. Es besteht Hoffnung, dass sich was ändert – allein, ob es besser wird, ist ungeschrieben. Wir sind ja nun auch noch in der Wirtschafts-, Finanz-, Hunger-, und Klimakrise. Alles nicht so schön. Alles schon zu spät. Aber ach, zu spät, auch egal. Was soll man sonst machen, anstatt sich einzusetzen – Cabrio fahren? Ne, da kann man sich doch besser noch für was einsetzen. Ansonsten wäre das Leben ja auch zu langweilig, nicht wahr?

    Autarkie ist übrigens ein Naziwort. Also ein Wort, das Hitler voll gern mochte. Muss man wissen!

  2. Danke Dir für den Kommentar. Zu den einzelnen Punkten:
    1) System – die Summe aller Unterdrückungsmechanismen. Die sich imho auch ganz gut gegenseitig am Leben halten, selbst wenn mal eines nicht ganz optimal läuft (vgl. Finanzkrise).
    2) Revolutionäre von heute und für was einsetzen: JA!
    3) Danke für die Anmerkung, war an einer Stelle drin und ist geändert. Mea culpa, das war mir so nicht klar.

  3. Die Revolutionäre von heute heißen ungefähr so sehr Snowden, Manning und Assange wie die von früher Trotsky, Zedong oder Castro. Revolutionen haben immer gerne ihre Ikonen gehabt. Aber auch heute kann man keine Revolution ohne hinreichend viele Menschen erreichen.

    Ich bin mir nicht sicher, dass die Antworten der Welt und insbesondere des politischen Systems auf die Veröffentlichungen der drei genannten der Menschheit zum Vorteil gereichen wird.

    Wir hatten uns ja auch alle so viel von der Revolution und den gestiegenen Möglichkeiten über das Internet versprochen. Und in gewisser Weise sehen wir auch politische Umwältzungen, die ohne nicht so einfach stattgefunden hätten. Aber global gesehen – freuen sich die Geheimdienste mehr darüber, dass nun nahezu alle Kommunikation über so einfach abzuhörende technische Infrastruktur stattfindet.

  4. Kurzer Hinweis: “Autark” stammt aus der griechischen Philosophie und hat doch schon tatsächlich mehr als tausend Jahre auf dem Buckel. Nur weil im dritten Reich auch von Autarkie geschwärmt wurde, muss man nicht auf dieses arme, unschuldige Wort verzichten… 😉

    Ansonsten: Tolle und lesenswerte Reflexion. War die Tage auf einem Konzert von Ton Steine Scherben und sehr erstaunt, wie aktuell die uralten Songs wieder sind…

  5. Ich glaube, dass es beides braucht – die “Ikonen”, die Dinge sichtbar machen. Aber da nicht jede_r in der selben Position ist, Dinge sichtbar machen zu können, braucht es mehr – Leute, die das veröffentlichen, verbreiten, und damit beginnend eben auch die Mobilisierung von Menschen (um nicht gleich von Massen zu sprechen, ob die angesichts der genannten doch noch recht erträglichen Lebensumstände in diesem Land zu mobilisieren sind, würde ich aktuell eh bezweifeln).

    Und ist “Vorteil” gemeinhin nicht eh meist einfach nur eine Frage der Perspektive? Wenn ich gerade so die Perspektive der Mächtigen™ einnehme, läuft es bis die auf ein, zwei zu vernachlässigenden Kollateralschäden an sich doch echt prima.

  6. Okay, das mit dem Vorteil war unpräzise. Ich glaube, dass die Gefahr, die von der aktuellen Situation ausgeht, eine Zuspitzung der sozialen Gegensätze auch innerhalb der einzelnen Länder ist – darum finde ich es ja so extrem geschichtsvergessen, gerade in Spanien und Griechenland so sehr Vermögen zu entziehen – und damit steht der „soziale Frieden“ zur Disposition. Natürlich kann sich die Geld/Macht-Elite in der Situation bessere Verteidigung und bis zu einem gewissen Grad ein friedliches Leben kaufen; es kann aber in niemandes Interesse sein, auf solch eine Gesellschaft hinzuarbeiten.

    Den realsozialistischen Gesellschaften hat man doch immer vorgehalten, dass sie nur dank ihrer Bespitzelung und Einschüchterung überhaupt so lange gehalten haben. Der Kapitalismus hat jetzt auch diesen Zustand erreicht.

  7. Ah, jetzt verstehe ich, was du meinst. Dass das soziale Ungleichgewicht auch in Deutschland immer weiter zunimmt (man betrachte nur die Verteilungssituation, gerne auch Lorenzkurve und Gini-Koeffizienten), macht die Sache nicht besser. Und eben die Aufrechterhaltung dieses sozialen Friedens, der hier gerade noch herrscht, sehe ich als langfristig fraglich an.

    Leider fällt mir bei Betrachtung der historischen Entwicklungen immer nur “It’s just another history repeating” ein und dann weiß ich nicht mehr weiter. Und dann rege ich mich wieder auf.

  8. “Das System …war mal ein Kampfbegriff, inzwischen ist es zum belächelten Schlagwort dahingeschrumpft. Wer nimmt denn heute noch Systemkritik ernst? ”

    Das liegt an der mangelnden Alternative. Bisher hat sie niemand erdacht und die “alte” Alternativen hat sich mittels des real existent gewesenen und zusammengebrochenen Sozialismus komplett kompromittiert.

    Offenbar BRAUCHEN Menschen aber ein “vernünftiges” Konzept einer Alternative, bevor sie bereit sind, ihre persönliche Noch-Wellness der so dringlich nötigen, aber mit massiv Stress, Verlusten und Unsicherheit verbundenen Weltveränderung zu widmen.

    Autarkie oder Flucht in irgendewelche fernen Idyllen ist Illusion. WOHIN soll es denn gehen? Viele Menschen in gar nicht wenigen Ländern würden ein Leben als deutscher Staatsbürger dem ihrigen mit Freude vorziehen. (Die Gründe lernen Auswanderer dann hautnah kennen),

    “es ist schwer, eine Revolution zu starten, wenn der eigene Job daran hängt”

    und nicht nur der. Auch die persönliche Warenversorgung hängt am “System” und vieles mehr.

    Das Dilemma ist wirklich krass: zum bloßen Erhalt des Status Quo braucht es WACHSTUM, mehr Verschuldung, mehr Ressourcenverschleuderung – dieser Zwang liegt eben NICHT an persönlich bösen “Reichen”, die die Welt aussaugen und willfährigen Politikern, die ihnen dabei helfen.
    Der Zwang ist “systemisch” und alles, was “Sand im Getriebe” ist bzw. sein könnte, sägt an dem Ast, auf dem wir sitzen. Wer sich länger damit befasst, wird zu diesem grusligen Ergebnis kommen.

    Nun könnte man denken, wie du oben schreibst:

    “Ob wir nicht vielleicht versuchen wollen, mit weniger auszukommen, vor allem mit weniger Geld, ob das nicht genug sein kann und ein erster Schritt hin zu einer Veränderung. !”

    Diese Sicht der Dinge umarmt “das System” ja seit gut 10 bis 15 Jahren. Seitdem sind die Löhne drastisch gesunken und prekäre, schlecht bezahlte Arbeit ist für viele quasi normal. (Generation Praktikum…)

    Insbesondere bei den jungen Kreativen und Mach-was-mit-Medien, bei allen, die Freude, Sinn und Lust in der Arbeit höher bewerten als Geld, macht sich die Bereitschaft breit, für’n Appel & Ei über lange Zeit engagierte Hochleistung zu bringen – schließlich ist Lob und Anerkennung (und gebraucht werden!) doch viel wichtiger als Geld… da applaudiert doch jeder Vertreter des Not-leidenden Kapitals! Endlich sind sie mir fast nichts zufrieden…

    Trotzdem: Artikel wie dieser entzünden immer wieder Hoffnung, dass es noch genug Menschen gibt, die keinen Bock haben, zu resignieren oder – innerlich oder äußerlich – zu emigrieren.

    Danke dafür. Und natürlich abonnier ich dieses Blog… 🙂

  9. Liebe Claudia,

    gute Punkte, die du da ansprichst, und in sehr vielen davon (gerade den ersten) denke ich ähnlich.

    Nur bei
    “Diese Sicht der Dinge umarmt ‘das System’ ja seit gut 10 bis 15 Jahren. Seitdem sind die Löhne drastisch gesunken und prekäre, schlecht bezahlte Arbeit ist für viele quasi normal. (Generation Praktikum…)”
    muss ich ein bisschen einhaken und konkretisieren. Ich bin theoretisch zumindest von Alters wegen Teil dieser “Generation”. M.E. ist es aber ein enormer Unterschied, ob niedrige Löhne quasi aufdoktriniert werden (vgl. auch der “Hang zum Luxus”, dessentwegen sich ja Leute einen Zweitjob aufhalsen, natürlich) und Menschen in prekäre Lebenssituationen und Unsicherheit zwingen, weil sie von ihrer Arbeit nicht mehr leben können. Oder ob man, sofern die Möglichkeit besteht (und dass das nicht für jede_n mal eben zu machen ist, ist auch klar), an der anderen Seite ansetzt – also bspw. gut überlegt, ob man sich zusätzliche finanzielle Verpflichtungen wie Kredite aufhalst und andererseits sowohl seine Fix- und insbesondere variablen Kosten, als auch die Arbeitszeit aufs Notwendigste reduziert, um Abhängigkeiten zu reduzieren. Damit, dass alles andere nur ausbeuterischen Strukturen (vgl. die von Dir genannten Branchen) in die Hände spielt, geh ich völlig d’accord.

    Und sonst so: <3
    (Nur zum Thema Abonnieren eine Vorwarnung - ich hoffe, Du versprichst Dir hier keine wöchentlichen Revolutionsaufrufe. 😉 )

  10. Lesetipp:
    http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/sibylle-berg-ueber-kapitalismus-und-liebe-a-916752.html

    und Anmerkung: Beim Begriff der Autarkie, ganz wertfrei, muss ich an eine wissenschaftsphilosophische Vorlesung, die in das Fach zugleich einführen sollte (also auch ein bisschen salopp und auf die Praxis schielend ablief), denken – das ‘Unteilbare’, was der wir im ‘Individuum’ dem Lateinischen entlehnen, ist in der altgriechischen Entsprechung das ‘Atom’. Insofern kann man ‘unser’ unbedingtes Individualismusgebot auch als Atomismus einer Gesellschaft deuten. Der Zustand einer Autarkie auf dieser molekularen Ebene, aber, wie ich denke, auch auf der so übertragenen, ist nun ein recht trostloser, weil geradezu erstarrter Zustand: Da passiert nicht mehr eben viel.
    Wobei ich nicht glaube, dass Menschen so leben: reibungslos und aneinander vorbei (und wenn sie sich doch mal reiben, und nur dann, der Staat ausgleichend eingreifen sollte, wie die (neo)liberalen Deutung es auslegt, vorgeblich um die staatliche Restriktionen auf ein Minimum zu beschränken, aber offensichtlich nicht ohne ein privatwirtschaftliches Kalkül.)

    Andererseits ist, glaube ich, das größere Problem auch schon, dass es diese Diskrepanz so gibt: das man die immer so aufmachen kann – jederzeit zu einem ‘System’, der ‘Regierung’, den ‘da oben’ aufmachen, auf diese verweisen kann bzw. diese einmal so aufgemacht worden ist und nun – wenn auch gegen diese anredend, -kämpfend, kapitulierend – weiterhin anerkannt wird.
    Weil sie es können. Ja. Aber auch, weil man sie lässt. Und weil man den Wirkkreis eines Individuums dann nur allzu gern und allzu schnell wieder auf atomarer Ebene verortet und begrenzt sieht – obwohl doch ein (Wirtschafts-)System, Konzerne, Nationen letztlich doch immer nur eine Pluralität ebensolcher Individuen sind.

    Daher auch kleine Schritte – es geht nicht anders: Mir zu sagen, dass ich Teil einer hyperkomplexen Nahrungskette sei, die mich letztlich doch frisst, ob ich will oder nicht, ob ich ‘mitmache’ oder nicht – ist nichts anderes als eine mächtige Suggestion. Die für mich den komfortablen Nebeneffekt hat, dass ich mich ja schön als überfordert und handlungsunfähig erfahre, möchte ich dennoch etwas ändern. Natürlich ändere ich nicht zwangsläufig den kompletten Planeten, aber zumindest nehme ich die mir allein obliegende Verantwortung wahr. Ich bin Akteur und delegiere sie nicht an den ‘Staat’/ die Verhältnisse ab. Mag sie auch eine noch so begrenzte sein.

  11. Ich fühle mich gerade an Stéphane Hessels “Empört Euch!” und “Engagiert Euch!” erinnert.

    Eichhörnchen habe ich jedoch keine in den Büchern gefunden. 😉

  12. Klar, ich bin auch immer schon dafür, die finanziellen Abhängigkeiten gering zu halten, sich nicht zu verschulden, nicht für irgendwelchen Luxus krumm zu legen, bewusst einzukaufen und und und (und ich setze das auch weitgehend um).
    Das mit dem “Zweitjob aus Konsumlust” solltest du aber nicht einfach so glauben! Gerade dieser Spruch hat sehr viel und sehr berechtigten Widerspruch erfahren – auf Twitter, auf Blogs und sogar quer durch die Mainstreammedien wurde dieser falsche Anwurf kritisiert (einfach mal “Konsumlust” googeln).

    Was die Bereitschaft junger Menschen, für äußerst wenig Geld zu arbeiten angeht, hier ein Artikel, der die heutige “Normalität” zeigt:

    Armut als Lebensstil – Das prekäre Leben
    http://www.neueelite.de/leben/20130819100205/3457/armut-als-lebensstil-das-prekaere-leben/

    Du schreibst gut und bist bewegt von dem, über was du schreibst – da braucht es nicht jede Woche Revolutionsaufrufe, um dich gerne wieder zu lesen! 🙂

  13. Putziger Text. Ganz niedlich geschrieben und so.

    Nochmal ganz von vorne.

    Der Mensch ist ein soziales wesen. Und so leben wir in Gemeinschaften, die ein System bilden. Desto mehr Menschen zusammen wohnen desto größer die Stadt. Dieses System wird dann immer komplexer [1] und somit unüberschaubarer. Damit so ein System funktioniert müssen Regeln herrschen. Das Resultat daraus ist, dass die Menschen eingeschränkt sind und das dass Systemoberhaupt dafür sorgen will, dass diese Regeln eingehalten werden und das dass System zudem noch vorhersehbar ist (–> Überwachung). Es geht sogar soweit, dass uns “Experten” beibringen wie wir essen, uns bewegen und Kinder erziehen sollen um uns perfekt zu integrieren.

    Scheiße, ne. Und nu? Sich darüber aufregen. Der einzelne tut aus Bequemlichkeit meist nichts dagegen oder lehnt bestimmte Dinge garnicht ab. Das liegt daran, das Linke nur als Mitglied einer großen Organisation oder einer Massenbewegung, mit der er sich identifizieren kann, stark fühlt. Generell wird fast alles erstmal gehasst was stark, gut und erfolgreich ist. Der Linke ist antiindivudalistisch und prokollektivistisch eingestellt. Er hat kein inneres Vertrauen zu seinen eigenen Fähigkeiten, um damit seine eigenen Schwierigkeiten zu bewältigen und seine Bedürfnisse zu erfüllen. Deshalb kümmert er sich um Minderheiten. Rechte haben noch mehr Minderwertigkeitskomplexe da diese sich durch Runtermachen von Minderheiten stärker fühlen. Das paradoxe ist, das Liberale Minderheiten integrieren möchten. D.h. sie sollen Teil des Systems werden indem sie sich anpassen sollen. Sie werden zu einer Kopie eines konservativen Bürgers gemacht, der seine Freiheiten einschränkt und seine Gemeinschaft aufgeben soll (z.B. bei Ortswechsel durch den Beruf) damit die Loyalität gegenüber dem Systems stärker ist als gegenüber seiner Gemeinschaft.

    Theodore Kaczynski ist ein Mörder und wer so viel Hass in sich trägt hat bestimmt tiefe psychische Probleme. Seine Sicht auf die Gesellschaft sind recht naiv und sehr verallgemeinert. Aber er hat recht. Allerdings hat er keine Lösung für die ganzen Probleme außer sich allein in einer Holzhütte im Wald abzusetzen, was für Ihn selbst als Einzelgänger durchaus eine praktikable Lösung darstellte.

    [1] Ein System wird als komplex bezeichnet, wenn es durch die hohe Anzahl von Elementen und Beziehungen schwer zu verstehen ist, durch zusätzlich noch dynamische Beziehungen das Verhalten schlecht vorhersehbar ist und es schwierig ist, den richtigen Abstraktionsgrad zu finden, um gewünschte Resultate zu erhalten oder Probleme zu lösen.

  14. Darin, dass “die da oben” selbst dann ein Problem sein (oder werden können), wenn ein völliger Umbruch passiert, stimme ich Dir absolut zu (vergleiche Syrien, Ägypten & Co.). Was ich für mich gerade eben so anprangere, ist diese Egalheit derer “da oben”, deren Position klar irgendwann legitimiert wurde, und, wenn es so läuft wie es sich abzeichnet, auch wieder legitimiert werden wird, Pluralität olé. Dass diese Pluralität für einen Teil der Bevölkerung (um mal bei Deutschland zu bleiben) ganz prima ist – geschenkt. Dass all das aber mehr und mehr bedeutet, dass ein größer werdender Teil ebenjener Bevölkerung darunter leidet, ist ein Problem.

    “Natürlich ändere ich nicht zwangsläufig den kompletten Planeten, aber zumindest nehme ich die mir allein obliegende Verantwortung wahr. Ich bin Akteur und delegiere sie nicht an den ‘Staat’/ die Verhältnisse ab.”
    Das ist das, was ich meine. Ich hasse mich ja selbst für meine “oh, ich bin doch nur ein Atom in diesem Ding, ich kann doch gar nichts tun”-Haltung. Und finde, dass sich das ändern muss (angefangen bei mir selbst).

  15. Dass das alles hochkomplex ist, dass ein System zur Selbsterhaltung Regeln braucht, ja und ja. Dass von bestimmten politischen Strömungen keine schillernden Lösungen zu erwarten sind, auch ja. Ehrlichgestanden erschließt sich mir nur die Pointe dessen, was Du sagen möchtest, nicht ganz. Dass keine Veränderung von irgendwem zu erwarten ist?

    Kaczynski ist, wie Du sagst, ein Mörder und sitzt lebenslänglich. Und wenn seines Erachtens die Technik nur verwendet werden soll, um den Bruch des Systems zu beschleunigen, sind wir ja gerade auf einem prima Weg. -_-

  16. Ich hatte selbst schon mehrfach neben einem Vollzeit- noch mindestens einen Zweitjob, weil Job 1 nicht reichte, und habe die Diskussion auf Twitter verfolgt, das war daher mit Sicherheit ironisch gemeint 😉 Danke auch für den Link. Das ist ein enormes Problem, und das Einzige, was man machen kann, ist, solche Arbeitgeber tunlichst zu meiden. Aber das macht die Sache nicht einfacher.

    Und, puh, dann bin ich beruhigt!

  17. Hm, der Text also als Ganzes so Zusammenhanglos, dass er ohne Pointe sinnlos erscheint. Muss ich mir was überlegen.

    Briefbomben an einflussreiche Leute zu schicken oder Hackerangriffe sind bestimmt kein prima weg. Ne, passt schon, der Text den Du dir auf Wikipedia schnell reingezogen hast ist nicht sehr informativ was das angeht.

  18. Danke für den guten Artikel, mich überkommt oft ein ähnliches “WTF-Gefühl” und ich stimme die grundsätzlich bei allem, was du schreibst, zu. Option 2 als “Aufstand” zu bezeichnen, finde ich etwas zu radikal, ich hoffe, dass es moderatere Formen gibt, Dinge zu verändern, indem “wir” mehr reden, kommunizieren, andere Menschen mit Argumenten überzeugen. Ich habe die Hoffnung, dass sich so doch eine gewisse Anzahl vernünftiger Menschen mobilisieren lässt, die Veränderungen herbeiführen kann… außerdem ist ja bald Bundestagswahl, wo man viele interessante Parteien wählen kann, die nicht im Bundestag sitzen.

  19. jetzt hätte ich beinahe einen kurzen moment mitleid mit dir gehabt . aber, naja, geht mir jedenfalls seit ende der 80ern so und mit mir hat ja auch keiner mitleid …

    nein, ernsthaft: hervorragender post über ein nie endendes phänomen, dabei hatte ich (auch ganz kurz) endlich mal vertrauen in “die jugend” und – dann wird die depressiv vor ihrer zeit?

    wie kann ich dich aufmuntern?

    im grunde nur so: wir mussten damit _leben_, daß die welt um uns herum von einer minute auf die andere in schutt gelegt werden könnte, dieses mittelstreckenraketending, du weisst schon, 3 1/2 minuten und so, über 200 fehlalarme im jahr. das konnte einen ganz schön kirre machen, war ja nicht “nur so ein gedanke”, die lagen ja um die ecke …

    in der situation habe ich mir folgendes gesagt: du hast zwei möglichkeiten – entweder du bist davon überzeugt, daß ES passiert, jammerst die nächsten jahre oder du sagst, ES passiert nicht und tanzt halt ein bißchen auf dem vulkan (um hans-a-plast zu bemühen). wenn es passiert, hast du keine zeit, deinen irrtum zu bereuen und die anderen keine mehr bei dir vorbeizudackeln, und dir das auf die nase zu binden. aber du hast dich wenigstens die ganze zeit über wohlgefühlt und die anderen sich schlecht wegen der ganzen paranoia.

    ergo bin ich papa geworden, so ein bißchen “laß uns ein apfelbäumchen pflanzen” und …. naja, die welt ist immer noch da und die mädels mittlerweile erwachsen und im studium.

    hilft dir das weiter?

    ich denke mal, vieles von der depression ist nur unsere reaktion auf diese ständigen alarmmeldungen von ziemlich gestörten marktschreiern, dieses leben im permanenten erregungszustand.

    der rest ist unsere unfähgkeit, zwischen dem, was uns medien über die “wirklichkeit” – happy end inclusive – eingetrichtert haben und … naja der tatsache, daß menschen dumm und niederträchtig sein können und es eben keinen batman gibt, der am ende die dinge in ordnung bringt

    http://hinterwaldwelt.blogspot.de/2013/07/die-differenz_29.html

    die “ordnung” ist nämlich chaos, die welt nicht gerecht und wir leben in einem zustand ewigen mittelalters. die nachgeborenen werden sich scheckig lachen, über unseren mangel an vertrauen in die “evolution”.

    wenn ich persönlich was gelernt habe, dann das: “das wird schon” 😉

    und wenn dich das nicht aufmuntert, dann … naja, überlass es deinen kindern, die sache zu wuppen. die werden zwar auch nicht verstehen, wovor du dich gefürchtet hast, aber, hey so ist das …

    und, nur damit wir uns nicht mißverstehen: ich rege mich auch noch jeden tag über drei sachen auf, eine oder zwei ängstigen mich sogar, aber das sind in der regel dinge, die andere erst mitbkommen werden, wenn sie ihnen um die ohren fliegen – weil sie zu viel zeit an die zu allem überfluss auch noch falschen themen verschleudert haben. mir macht der nationlismus in ungarn mehr sorge als die NSA –

    die _soll_ verdammt noch mal wissen, daß die welt sich ändert und die flut steigt.

  20. Erstmal: Sehr guter Text.

    Zu dem Frust, der hier auch in den Kommentaren hochkommt, weil es nichts gäbe, wofür man kämpfen kann: Es gibt Alternativen zum System. Vor allen Dingen gibt es machbare Alternativen. Es gibt z.B. die Möglichkeit eines Grundeinkommens, die uns letztlich in die Situation befördert, nur noch sinnvolles zu arbeiten (weil wir ja nicht zu 100% davon abhängig sind, jeden Tag 8 Stunden zu schuften). Das Phänomen von Bullshit-Jobs würde verschwinden, die Leute würden machen, was sie wirklich machen wollen, weil sie die Zeit hätten, das zu machen. Auch ein ständiges Wirtschaftswachstum müsste es dann nicht geben – wozu denn auch? Klar würde nicht alles gut werden. Aber wir wären in einer Situation, in der wir die Möglichkeit haben, Gutes zu machen.
    Von mir aus können wir auch alle zusammen einen Verein gründen und dann in Brandenburg die Republik ausrufen. (Oder so). Oder wir fordern die Pogo-Anarchie.

    Es geht ja nicht darum, eine Alternative in Vollendung zu verwirklichen. Es geht darum, zu zeigen, dass es andere Ideen, andere Wege, andere Hoffnungen gibt. Und dass wir diese möglich machen können. Das wir der Souverän sind (oder steht am Reichtstag “Dem Deutschen SystemTM”?). Und es gibt jede Woche Gelegenheit dazu. Bei mir um die Ecke gibts jeden Montag ne Montagsdemo. Anfang September gibts in Berlin die Freiheit statt Angst. Verdammt, wir können uns alle vors Kanzleramt hocken und so lange “Yeah” rufen, bis Profalla die Demo für Beendet erklärt.

    Es geht nicht um die große Revolution in unserem Land. Es geht um die Revolution in unseren Köpfen. Und um Eichhörnchen.

  21. @S.

    eine revolution, zu der nicht getanzt wird und bei der keine eichhörnchen/katzen-bilder gezeigt werden, ist es nicht wert, an ihr teilzunehmen. sie findet auch nicht an orten statt, wo man die heranrückenden horden niederkartätschen kann, sondern im eigenen kopf und dem, was man selbst damit anfängt: kinder gut erziehen zb.

    aber, das ist ja der eigentlich witz an dem ganzen hysterischen gekreische: in einem jahrzehnt wird die 3D-drucker technik unsere gesellschaft komplett umgekrempelt haben, eine fantastilliarde jobs werden vernichtet, wir werden ohne so etwas wie das grundeinkommen nicht weiterkommen.

    statt sich also fröhlich und gutgelaunt einer von uns zu gestaltenden zukunft zuzuwenden, lese ich nur erbarmungswürdig depressives von doch eigentlich klugen menschen, die den ideal-song “da leg’ ich mich doch lieber hin” obwohl 30 jahre alt zu ihrer hymne erklärt haben und sich gegenseitig in schwarzgemälden übertrumpfen wollen.

  22. “die einfachste surrealistische handlung besteht darin, mit revolvern in den fäusten auf die straße zu gehen und blindlings soviel wie möglich in die menge zu schießen. wer nicht wenigstens einmal im leben lust gehabt hat, auf diese weise mit dem derzeit bestehenden elenden prinzip der erniedrigung und verdummung aufzuräumen, der gehört eindeutig selbst in diese menge und hat den wanst ständig in schußhöhe.”
    -Andre Breton, irgendwann im frühen 20. Jahrhundert

    Sie können sehen, dass Sie nicht alleine sind und das der Gedanke, welcher Sie quält, so neu nun auch wieder nicht ist.

    Ausserdem möchte ich Sie noch auf Option 4 hinweisen:
    Werden Sie doch einfach ein zynisches Arschloch.
    Ist gerade sehr beliebt, auch wenn die wenigsten es zum echten Zyniker bringen (denn dazu bräuchte es erst einmal enttäuschte Ideale, die die wenigsten mitgebracht hätten).

    Sollte es für Sie noch zu früh für Option 4 sein, wovon ich mal ausgehe, Sie es zwar einerseits irgendwie juckt Sie aber andererseits nicht wissen wie und wo zu kratzen wäre, empfehle ich blinde Zerstörungswut.

    Das ändert zwar auch nichts, aber mann hat wenigstens etwas getan und fühlt sich deutlich besser.

    Aber lassen Sie sich um Gottes willen nicht erwischen.

    Denn denjenigen, die wirklich Dreck am Stecken haben, geht der Arsch gewaltig auf Grundeis bei dem Gedanken daran, was wir mit ihnen machen könnten würden wir ihrer jemals habhaft.

    Es sind dies übrigens die gleichen Personen, die den logistischen Überbau usurpiert haben um ihre ganz eigene Erzählung aufzuführen.

    Aber ich schweife ab, und anarchistische Systemkritik ist Ihre Sache gewiß nicht.

  23. Danke für den tollen Artikel – genauso, wie Du es oben beschreibst, geht es mir auch inzwischen oft: es macht sich eine gewisse Ungläubigkeit über die Entwicklung in der Welt, gepaart mit einem Hauch Fatalismus breit. Auf jeden Fall hast Du Recht, dass man auch im Kleinen, bei sich anfangen sollte.

  24. Herzlichen Dank Dir für den Kommentar. Und, ach, Fatalismus. -_- “Keep your head up, keep your heart strong.” Klingt nach Pop (ist es auch). Erscheint mir kurz- bis langfristig gerade aber als die wichtigste Haltung zu der ganzen Sache. Alles andere wird wohl mühsam. Aber die Einstellung könnte helfen. Vielleicht.

  25. Liebe Käthe,

    danke auch für Ihren Kommentar bei Carta, ich konnte leider nicht früher antworten, pardon.

    Anarchismus, Sie haben Recht, war meine Sache nie. Und blindes Zerstören leider auch nicht. Bleiben erstmal nur das Ausprobieren und bisweilen die Reanimation der Hoffnung, wenn sie mal wieder über Bord ist.

  26. Ich finde, der Disclaimer muss nicht sein. Für Zornausbrüche muss man sich nicht rechtfertigen. Sie sind wichtig. Sie sind so sehr notwendig und es gibt sie viel zu selten.

    Und ich glaube auch, dass die besten Rants zu diesem Thema von jüngeren Menschen geschrieben werden. Die Älteren haben sich schon zu sehr (noch mehr) eingerichtet, sind zu satt, haben Kinder, haben Angst, versuchen zu halten, was sie haben.

    Ein toller Text. Vielen Dank dafür.

  27. Autarkie ist aber auch nur ein Wort. Man kann und darf den nazis nicht auch noch Sprache Opfern. Hitler mochte sicher auch dies und das gern als Nachtisch – ist das dann auch nicht mehr PC? Darum mein Appell: Kirche im Dorf lassen.

  28. Pingback: Drei Optionen |
  29. Respekt!
    Dein Text hat mich berührt. Meine Seele und mein Herz. Deshalb habe ich ihn (bei ‘Carta’ gelesen) auch sofort auf meiner Seite weiter verbreitet.
    Ich bin wohl doppelt so alt wie Du, aber ich ziehe meinen Hut vor Dir (in Ermangelung eines Vorhandenen einen Imaginären).
    Ich hoffe, weitere Texte dieses Spirits von Dir lesen zu dürfen! Wut, Ohnmacht, Resignation – aber auch das Aufbegehren und der Anspruch an Änderung und Überwindung.
    Schön mal jemand Deiner Generation kennen lernen zu dürfen, der/die nicht in der Matrix ihres Handy-Display gefangen und paralysiert wird. Der sich des eigenen Verstandes bedient – ohne deshalb ge-‘like-it’ werden zu wollen.

    Meine besten Wünsche für Deinen Blog, für Deine Haltung, für Deine Tellerrand-übergreifenden Gedanken.

    Einen Wunsch habe ich noch:
    Bitte lese die Kommentare auf meiner Seite, die Dein Text ausgelöst hat.
    http://aufzeichnungen-eines-gutmenschen.blogspot.de/2013/08/revolutio-oooh-ein-eichhornchen.html

    Und vielleicht findest Du dann ja auch ein paar warme Worte für Troptard… die ihn zum Bleiben bewegen – oder sich bei Deiner Seite einzufinden.

    Ganz liebe Grüße
    Dude

  30. “Warum also?
    […]
    To be ein weit`rer Spack im Medienpack, wie ich vermute?
    Oder doch aus Eitelkeit, Geltungsdrang und dem unbedingten Mittunwollen beim großen öffentlichen Diskurs, beim besinnungslosen Geplapper?”

    David Schuh, aktuelle Titanic

  31. Käthe:
    Was soll dieser Kommentar, wenn nicht ‘aus Eitelkeit, Geltungsdrang und dem unbedingten Mittunwollen beim großen öffentlichen Diskurs, beim besinnungslosen Geplapper?’
    Der Unterschied mag die Formulierung eigener Gedanken sein…

    Habe keine Ahnung, wo Du bist, und wo Du hin willst.

    Beziehe doch mal Stellung anstatt nur zu polemisieren:
    Wofür stehst denn Du?

  32. Duderich:
    Eigene Gedanken habe ich hier bisher vergeblich gesucht.
    Frage Du gefälligst nicht nach so etwas.
    Dieses ganze “Ich bin so alleine”, obwohl Ihr nichts anderes als überwältigende Mehrheit seid …

    Bloß nicht die Dinge beim Namen nennen.

    Ihr seid so gottverdammt feige mit eurem Geheule, dass ich kotzen könnte.

    Als wenn es eine weitere Heulsuse bräuchte wie Dich, oder Troptard.

    Wir denken doch bereits alle das gleiche, wir brauchen ganz bestimmt keine Rechtfertigungen mehr dafür, dies zu tun.

    Wofür ich stehe?
    Als wärest Du jemals für irgendetwas eingestanden.

    Ich bin der Geist, der stets verneint!
    Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
    ist wert, dass es zugrunde geht.

  33. Käthe:
    Muss ja ein erhabenes Gefühl sein, als Einzige den Durchblick zu haben. Beneidenswert. Ich hoffe nur, Dir gehen nicht die Finger aus beim auf Andere zeigen.
    Ein weiteres fröhliches Leben noch.

    Der Heulerich

  34. @ Duderich

    Blah.

    Es ist weniger ein erhabenes Gefühl zu wissen, worin wir uns nicht unterscheiden.
    Trotz aller Fortschritte, und so.
    Und der letzte Gedanke, der Tucholsky durch den Kopf ging, war aus Blei oder nicht?
    Und das er etwa wegen den Faschisten aufgegeben hat und nicht etwa wegen Typen wie Dir, das darf ich dann ja noch bezweifeln.
    Und jetzt lass Dir bitte das Brötchen im Halse stecken bleiben.

  35. Wie wäre es denn damit? Sie scheinen mir genug Wut im Bauch zu haben, um das anzuschieben 🙂

    MeckPomm Greifen
    Millionen Deutsche sind unzufrieden: Mit dem Euro, der Umweltgesetzgebung, der Kinderbetreuung, dem Mangel an Demokratie, dem Diktat durch die EU. Sie fragen sich, was sie tun können und bleiben gedanklich meist im Kleinen hängen. Denken wir es doch mal groß: Wie wäre es damit, einfach ein Bundesland zu übernehmen und all die Dinge, die wir uns wünschen, dort durchzusetzen? Mecklenburg-Vorpommern ist der ideale Übernahmekandidat: Ein Flächenstaat mit viel Platz. Dünn besiedelt, gerade mal 1,5 Millionen „Eingeborene“. Jeder Deutsche kann sich problemlos dort ansiedeln, hat das Bürgerrecht und das Wahlrecht. Dazu das Meer vor der Haustür und quirlige Großstädte wie Berlin und Hamburg in erträglicher Nähe, wenn es mal etwas Kultur braucht. Hört sich verrückt an, ist es aber nicht, wenn man es etwas genauer betrachtet. Wer übers Internet arbeitet, kann dies von überall tun, für die nötige Geschwindigkeit können die neuen Mobilfunkfrequenzen sorgen. Diese Zugezogenen verdienen in der Regel gut und werden rasch einen Sog von anderen Unzufriedenen aus anderen Branchen erzeugen – von der Erzieherin über den Kellner bis hin zum Landwirt. Binnen weniger Jahre sollte es möglich sein, erst Landkreise, dann Bezirke, schließlich das ganze Bundesland zu übernehmen. Vermutlich werden das die Mecklenburger anfangs gut finden, da das Land unter Landflucht und einer niedrigen Geburtenrate zu leiden hat. Dann wird eine Phase kommen, in der politische Mehrheiten kippen und zumindest die etablierten Parteien und deren Politiker werden es nicht mehr gut finden. Was soll‘s? Ist die kritische Mehrheit erreicht, können Volksentscheide und direkte Demokratie durchgesetzt werden und dann ist vieles möglich. Warum nicht loslösen von Deutschland und der EU? Wie wäre es mit einer Orientierung an den skandinavischen Staaten? Direkte Demokratie via Internet. Eine eigene Währung. Die „Greifen“++++ waren übrigens das dominierende Adelsgeschlecht in Mecklenburg im Mittelalter. Warum nicht „MeckPomm Greifen“?

  36. Wir sind alle Kinder des Systems, sind damit groß geworden und haben immer dessen Vorzüge genossen. Hinter die Kulissen zu schauen und aus der Matrix auszubrechen ist keine Bauch- sondern eine klare (aufgeklärte) Hirn- und Gewissensentscheidung, und die fällt nun mal schwer, sie tut weh. Wir alle hier bemühen uns, eine Alternative zum alltäglichen Datenmüll, zur „Informations“knappheit und zu Pressemanipulationen zu bieten, und doch, es ist zu wenig. Allenthalben neue Parteien, die irgendwas ändern wollen, doch nie an den Kern der Ursache herangehen… weil eine flächendeckende Diskussion und Information über den Kern nicht stattfindet und stets verballhornt wird.

    Am 07.03.2011 ungefähr vor zwei Jahren hatte ich in etwa die gleiche „es ist an der Zeit“ (Nosliw)-Erleuchtung:

    Aufruf an die Blogger-Gemeinde!

    „… Wenn Euch wirklich daran liegt, dass wir nicht mehr verarscht werden und dass sich wirklich etwas ändert, reicht die Nur-Schreiberei bei Weitem nicht mehr aus. Insbesondere wenn man die langwierigen Proteste weltweit sieht und ihnen gegenüber stellt, was diese bisher erreicht haben: Nichts! In Berlin fragt die Occupy-Bewegung erst mal höflich bei der Landesregierung an, ob man denn einen geeigneten Platz zum Okkupieren zugeteilt bekommt…

    Vielleicht wird es deshalb langsam mal Zeit, Blogs wie adsinistram, NachDenkSeiten, Feynsinn, Spiegelfechter u.v.a. mit ihrer enormen Reichweite wirksam zu verbinden oder zu einem Anti-Anti-Demokratie-Konglomerat zusammenzufassen. Zusammen aus einem Munde sprechend erreicht ihr doch Unmengen an eh schon kritischen Geistern, die nur darauf warten, dass jemand anfängt, dass man nicht nur Gleichgesinnte in Foren oder auf Blogs findet, die einem die eigene Meinung bestätigen, sondern dass sich daraus endlich auch eine „Ethik des Handelns“ entwickelt! Als „interaktive Sitzblockade“, „Black Blogg“, Internet-Boykott oder was auch immer Euch einfällt. Seid Ihr zu mehr bereit, als nur zu schreiben? Viele der zu den Blogeinträgen geposteten Kommentare sprechen zumindest eine deutliche Sprache!

    Es ist einfach, jemanden, der alleine protestiert oder kleine Gruppen, die insistieren, festzusetzen und auszugrenzen. Eine Gruppe von 1.000 oder gar 10.000 gewissenhaften und mutigen Demonstranten, die nicht weichen, muss man dagegen stundenlang und medial beobachtet wegtragen; wie der letzte Castortransport lehrte. Einsam Flugblätter zu verteilen mag unangenehm und peinlich sein, wenn es aber „300“ oder mehr tun…

    Vielleicht gibt es da draußen auch ein paar „ehrenhafte“ und mutige Rechtanwälte, die nicht nur geschickt einen Ackermann oder Zumwinkel rausboxen, sondern eine Verfassungsklage gegen die Kapitaldiktatur, die unsere demokratische gewollte Grundordnung zersetzt, ausarbeiten. Diese dann beworben und unterstützt von den „weisen“ Bloggern dieser Welt und verstärkt durch das Grundrechtekomitee, LobbyControl, Business Crime Control, Attac, Ethecon etc. noch einen seriöseren Touch bekommen könnten…

    Schließlich geht es in erster Linie, und da sollten sich alle menschenrechtsliebenden Geister einig sein, um: Alles ist besser, als ein „Weiter so wie bisher“!

    Es ist an der Zeit, endlich so dreist zu werden, wie die Konzernlenker dieser Welt…“

    http://globalinformations.wordpress.com/2011/11/07/aufruf-an-die-blogger-gemeinde-2/

    Liest sich ähnlich an!

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