Der Mond, der Arsch

Es ist ein Wochenende, es ist schon spät am Abend, ich bin schon wieder auf einer Party, obwohl ich sonst nie auf Parties gehe, und ich komme ins Wundern. Ich wundere mich, dass es nichts Neues gibt, nur die selben Klamotten wie in der letzten Woche, die selben Tricks, die selben Sprüche wie in den letzten Monaten, es ist nichts Besonderes mehr dabei. Und genau genommen wundere ich mich noch nicht einmal, höchstens genau so viel, wie sich jemand wundern kann, der in ein altes Brot beißt, das wie altes Brot schmeckt und weich wird, je länger man darauf herumkaut. Fad. Hunde, die beißen, bellen nicht, denke ich mir, trinke mein letztes Getränk nicht aus, stelle mich an die Straße, winke und nehme ein Taxi in die Gegenrichtung. Der Taxifahrer spricht nicht, ich spreche auch nicht, ich kurbele das Taxifenster herunter, strecke den Kopf hinaus und versuche, den Mond zu sehen. Aber es ist Neumond und da hat der Mond frei. Der Arsch.

Spät ist es, als ich ankomme, an der Adresse, die du beschrieben hast, durchs Dunkel gehe ich an einer Baustellenbeleuchtung vorbei. Jemand hat kleine Lampions an den Wegesrand gestellt, als ich die Tür öffne, tropft Kondenswasser von der Decke. Der Raum ist dunkel, niedrig, ich kenne niemanden hier, ich werfe meine Lederjacke in eine Ecke und stelle mich irgendwo dazu, n Bier n Euro, ich habe keine Lust auf Bier, die Musik ist nicht richtig laut, ich habe sehr große Lust auf sehr laute Musik. Du bist nicht da, du hast eine Verabredung. Komm doch mit, hast du gesagt, ich habe nur den Kopf geschüttelt. Niemand den ich kenne und ich, wir stehen in einer Ecke und rauchen, weil wir dann nicht reden müssen, wir trinken Gin aus der Flasche, weil das jetzt geht. Wir legen uns in einer Ecke auf das Sofa, weil alle anderen gegangen sind. Und dann liegen wir da, zu fünft oder sechst, so genau erkenne ich das nicht, quer und längs gestapelt, wie viele Leute man wohl braucht, um einen großen menschlichen Teppich zu weben?. Mein Kopf liegt an irgendeiner Brust (ein Teppich, der atmet, das wäre schön), irgendwer streichelt mir den Rücken, es ist mir egal, wenigstens ist es warm und der Zigarettenrauch steigt nach oben. Jemand deckt mich mit seinem Körper zu, irgendwann schlafe ich ein, an irgendeiner Brust.

Als ich wieder aufwache, will ich weiterschlafen, stattdessen suche ich meine Jacke in der Ecke, ziehe sie an, die anderen schlafen alle noch. Es ist ein Berg Mensch, der atmet. Ich gehe nach draußen. Die Lampions am Weg sind aus, es ist schon winterhell und ich gehe zu dir. Leise drehe ich den Schlüssel im Schloss herum, mache die Türe vorsichtig hinter mir zu. Durch die Vorhänge im Wohnzimmer leuchtet die Morgensonne, ich will nicht auf den knarzenden Dielen laufen und trete doch darauf. Ihr Geräusch durchdringt die Stille. Ich drehe die Heizung auf und putze mir nicht mehr die Zähne, weil das so laut ist. Ich hoffe, dass du noch schläfst, ich ziehe mich aus, werfe die Klamotten in eine Ecke, lege mich hin, die Knie ans Kinn gezogen. Als ich wieder aufwache, stehst du mit zwei Tassen Kaffee vor dem Sofa, du riechst geduscht, deine Haut ist nass, deine langen Haare kleben auf deinem Rücken, du trägst nur ein T-Shirt und siehst auf mich herunter, wie man auf einen Überrest der Nacht heruntersieht, der aus Versehen in den Tag gefallen ist. Dann reichst du mir eine Tasse, ich rutsche ein Stück zur Seite, du legst dich neben mich, wir trinken unsere Tassen leer und stellen einander keine Fragen.

By L.

I walk fast.

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