– un du? Wie alt bisch du?
So oder ähnlich hätte ich wohl jemanden kennenzulernen versucht, als ich 16 war und noch nicht versucht habe, meine teil-schwäbischen Wurzeln* durch möglichst natürliches Hochdeutsch zu kaschieren. (Ok, durch Hochdeutsch mit schwäbischem Touch, ich kann’s einfach nicht verleugnen…)
Angeregt durch einen Kommentar, den ich heute wieder einmal gehöPost veröffentlichenrt habe**, habe ich mir Gedanken über die Frage gemacht:
Sind wir jemals so alt, wie wir sind?
Eigentlich beginnt alles schon, bevor wir uns selbst über solche Kommentare freuen oder ärgern können.
Wenn der Arzt gleich mal beim zweiten Ultraschallbild verkündet “ersiees ist aber groß für die 22.Woche!” und der stolze Vater nach Betrachten des Bildes prompt der Meinung ist, das Kind werde mal, soll werden was es will, aber Basketballer auf jeden Fall.
Damit beginnt ein Dilemma, das uns unser Leben lang begleitet, egal in welcher Richtung. Sei es im Kindergarten, wenn man allen Kleinen beim Raufen schier sämtliche Knochen bricht, in der Grundschule, wenn einen die “Großen” fragen, ob man nicht noch in den Kindi gehört, weil man noch so klein sei. Oder später im Zug, wenn einem mit 13 kein Schaffner mehr glaubt, dass man noch keine 16 ist und tatsächlich ein Kinderticket lösen darf. Weil man ja so “groß für sein Alter” sei.
Sind wir irgendwann echt mal so alt, wie wir auch tatsächlich sind?
Wir sind klein / groß, weit / hinterher, dürr / proper**, schwach / kräftig, blass / gesund, nicht so / hübsch, aufgeweckt / langsam, intelligent / altklug, schnell / behäbig... für unser Alter. Was heißt dieses “für unser Alter” überhaupt? “Unsere Alten”, das wäre ja was anderes und irgendwie klar. Aber “für unser Alter”??
Und das “zu” vor diesen Adjektiven wird sowieso ganz verschwiegen. Was gemeint ist, weiß jeder. Weiß vor allem jede besorgte Mutter, der solche Aussagen dann entweder die Schames-/Angst- oder Freudesröte ins Gesicht treiben.
Mit großer Freude bekommt sie die von Leuten zu hören, von denen sie sie niemals hören wollte. Von wohlmeinenden Schwiegermüttern, die meinen, “das arme Kind” bekäme nicht genug zu essen. Keifenden Nachbarinnen, die eh nichts Besseres zu tun haben, als über Rabenmütter zu tratschen. Von der verhassten Turnlehrerin, die meint, Mädchen müssten alle mal “Schwanensee” tanzen und die noch nie davon gehört hat, dass Mädchen auch Basketballspielerinnen werden können.
Es sind interessanterweise tatsächlich meist Frauen, die derartige Kommentare loswerden. Vielleicht, weil sie gerne Kinder vergleichen – “also mein Hans-Günther-Michael, als der so alt war…!!!” Und meiner ist besser! Ätsch! – Und sowas von erwachsenen W… Frauen.
Weitere Beispiele:
– “Du kannschd abr schee moooole! Wie alt bisch denn?… Was? Erschd siebe? Ha, des Bild hoschd doch bstimmt ausm Molbuch!!”
– “Ihr Sohn ist noch etwas schwach für sein Alter, ich fürchte er wird mit seinen Altersgenossen in Zukunft nicht mithalten können. Was halten Sie von Astronautennahrung?”
– “Junge Frau, wir können dich hier nicht reinlassen, der Laden ist ab 18.” – “Aber ich bin doch 22!” – “Nee, sorry, aber so klein wie du bist nehm ich dir das nicht ab!”
Und nie sind wir genau so richtig, wie wir sind.
Gegen dieses “zu”, das uns so durch diverse Lebensstufen begleitet, wird einiges unternommen. Von Frühchenstationen, Hochbegabtenförderung, überFörderklassen und ganze Förderschulen über Sonderschulen, Stipendien und Nachhilfe bis zum Überspringen von Kindergarten- oder Klassenstufen.
Richtig, dieses “zu” endet. Es endet nicht mit dem 18.Geburtstag, erst recht nicht bei allem, was mal ein Mann werden soll. Meist verläuft es sich, oder eher: Verwächst sich. Die meisten keifenden Nachbarinnen und bösen Schwiegermütter werden vorsichtiger mit Kommentaren à la “duuu hasch aber schmale Schultern, also mein Hans-Günther-Michael…!!” – sobald der besagte schmalschultrige Kerl ihnen über den Kopf zu wachsen beginnt. Oder der Hänfling Hans-Günther-Michael kennenlernt, feststellt, was für ein schmalbrüstiges Hähnchen besagter Schrank von Kerl doch in Wirklichkeit ist und genau das dessen ach so stolzer Mutter erzählt.
Gut, zugegebenermaßen endet es doch nicht richtig – im Seniorenalter, frei nach dem Motto “die ist aber noch mutig für ihr Alter – mit 70 nochmal zu heiraten,…!” – hier aber dann meist mit einer Mischung aus Neid und dem Gefühl, selbst etwas zu verpassen / verpasst zu haben.
Zum Glück geht das aber meist nicht ewig. Wobei….
“Also Tobias, dass aus dir mal noch was wird, des hädd bei dem Hänfling, der du immer warsch, au koiner denkt!”
*Situation: Seminar
Dozent: “Und, wie fanden Sie sich und Ihr Beratungsgespräch?”
Katze: “Och ja, eigentlich gar net schlecht!” (für Outsider: “net schlecht” = höchstes schwäbisches Lob)
Dozent: “Das heißt nicht ‘net schlecht’, das heißt…”
Katze: “…gut, ich weiß. Aber was kann denn ich für meine schwäbischen Eltern??!“
**Kommentar: “Du wirkst viel älter als du eigentlich bist.”
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einen “Hohlkörper aus Vollmilch-Schokolade” essend –
now playing: Bee Gees – Man In The Middle