"Warum verschwindet bei ‘Paar’ das zweite ‘a’, sobald man ein ‘Pärchen’ ist?" // Paar und Pärchen. | nur ein wort.

Germanistischer Lösungsansatz // Paar, paar und Pärchen:

Definition zu Paar: “Zwei von gleicher Beschaffenheit, besonders wenn sie der Natur gemäß zueinander bestimmt sind (zwei Ding, da eins ist wie das ander und derhalben zusammen gehörn).” “Ein verliebtes paar sehnt sich herzlich zum altar”, wusste schon das in Liebesdingen nicht unbeschriebene Blatt Goethe.
Die obenstehende, etwas idealisierte Vorstellung der aus dem Wörterbuch Gebrüder Grimm wird torpediert durch die nüchterne Duden-Betrachtung, dass es sich beim Paar um “durch Liebesbeziehung oder auf rechtlicher Grundlage verbundene, zusammengehörige Menschen” handelt.

Hier sei auf die orthografischen Tücken hingewiesen, da ein paar Kilometer Distanz und ein paar Flirtereien nebenher trotz auditiven Gleichheit das Paarsein nicht gerade leichter machen. Hinzu kommen sprachliche Probleme – bei einem Paar kann es sich auch um Handschuhe, Schweinswürstl, Ski, Ohrringe oder Stiefel handeln, was nicht automatisch bedeutet, dass zwischen diesen beiden eine Liebesbeziehung besteht. Denn auch ein Paar linke Stiefel ist zwar ein Paar, ist aber so identisch, dass es gar nicht zusammenpasst.

Hieraus ergibt sich eine grundlegende lebensweisheitliche Erkenntnis für das Verständnis des Daseins im Paarsein:

Wer einander immer ähnlicher wird und schließlich identisch ist, passt gerade deswegen nicht mehr zusammen. Deshalb haben die Obersachsen dem “ein Paar sein” eine gesonderte Bedeutung zugewiesen – wer in Obersachsen wohnt und “ein Paar ist”, streitet sich. Wer also Wert auf eine harmonische Beziehung legt, sollte tunlichst einen Umzug nach Obersachsen vermeiden.

Nun gibt es Paar aber auch noch als 134 km langen rechten Nebenfluss der Donau. Besonderheit dieses Flusses ist, dass er nicht tut, was er sollte (in den Lech münden), sondern im letzten Augenblick abbiegt, eine Biegung nach Nordosten macht und so das Lechtal verlässt. Bei diesem Verhalten handelt es sich um den so genannten Paardurchbruch, dieser entstand durch rückschreitende Erosion.
Dies erklärt auch das typische Paarverhalten: Hat sich eine Beziehung zum Paar entwickelt, beginnen die Beteiligten auf einmal, nicht mehr zu tun, was sie sollten (in den Lech münden, oder Kinder kriegen / Unkraut jäten hinterm Einfamilienhaus / Kuchen backen für Kindergartenfeste / Schwiegermutter besuchen), sondern versuchen sich durch geschickte Ausweichmanöver dem Lech zu entziehen (rückschreitende Erosion / Fußballverein / Angeln / Kopfschmerzen).

All das kann dem Pärchen nicht passieren. Denn das Pärchen, der Diminutiv zu Paar, wird verwendet für eine Gruppe aus einem weiblichen und einem männlichen Tier. Wellensittiche, Meerschweinchen und Zwergkaninchen – niedlich, aber nutzlos. Oder wer hat schon einmal Wellensittichfrikassee gegessen?

Nun könnte man argumentieren, dass alles, was man essen kann, nützlich ist, dementsprechend müssten Meerschweinchen und demnach auch Meerschweinchenpärchen trotz der doppelten Verkleinerungsform sehr nützlich sein. Die Meerschweinchen, die man zum Beispiel als Patatas con Conejo (Kartoffel-Meerschwein-Auflauf) zubereiten kann, sind jedoch bis zu 1,3m lang und 80kg schwer.

Da nun ein durchschnittlicher deutscher Meerschweinchenkäfig maximal 1m lang ist, ist schon das damit einhergehende Platzproblem (man könnte das Meerschweinchen ja in den Käfig stellen und die Gitterstäbe oben etwas auseinanderbiegen, damit es Platz für seinen Kopf hat) das Totschlagargument für die Nützlichkeit von Meerschweinchen.
Und selbst wenn man ein Kleintierpärchen für die Zucht bestimmt, hat man am Ende einen Haufen Vögelchen / Häschen / Schweinchen, deren Nützlichkeit sich auch nicht durch quantitative Erhöhung der Kleintiermenge erhöhen lässt. Denn selbst mit einer Wellensittichherde kommt man immer noch nicht weit, wenn man bedenkt, dass ein Wellensittich durchschnittlich 29 Gramm wiegt. man aber für ein ordentliches Frikassee mindestens 500g Fleisch braucht.

So müsste man, beginnend mit einem Wellensittichpärchen, lange züchten und auf eine niedrige Sterblichkeitsrate hoffen, bis man die nötigen 175 Wellensittiche für einen Topf Frikassee beisammen hätte.

Niedlich, aber nutzlos.

Das Hauptkennzeichen des Pärchens. Dies gilt damit erst recht auch für das, worauf die Ursprungsfrage abzielte – für das Pärchen, das junge Liebespaar.

Antonyme:
Während der Gegenbegriff zum Paar die Familie, Gruppe oder einfach das Individuum ist, muss sich beim Pärchen ein nicht unwesentlicher Teil dieser Gesellschaft tödlich getroffen fühlen. Denn das Antonym zum Pärchen ist:
Der Single
. Der ist damit wenigstens nicht niedlich (tiefe Augenringe, fahle Haut durch überhöhten Alkohol- und Zigarettenkonsum und durchwachte Nächte bezeugen dies), dafür aber umso nützlicher (hohe Sozialausgaben, kauft in den teuersten Supermärkten ein, daher höhere Ausgaben für Umsatzsteuer, bleibt er Single, stirbt er früher, daher niedrigere Kosten für den Rest der Gesellschaft aka Renten- und Pflegeversicherung).

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Evolutionstheoretischer Lösungssansatz // feat. Mario Barth:

James Watson, einer der Entdecker der Molekularstruktur der Desoxyribonukleinsäure, dem wegen einiger Äußerungen Homophobie, Rassismus und Sexismus vorgeworfen werden, sprach 2003 in einem Spiegel-Interview von der Schönheit der Paarbildung. Er sprach ausdrücklcih nicht von der Schönheit des Pärchendaseins.

Betrachten wir daher den Vorgang der Paarbildung unter dem Aspekt der natürlichen Selektion:

Natürliche Selektion entsteht grundsätzlich aus dem unterschiedlichen Reproduktionserfolg der Individuen einer Population.

Ein Pärchen sind demnach zwei Individuen, die immer noch einige sehr unvorteilhafte Merkmale in sich tragen, die für das Überleben und die Fortpflanzung von Nachteil sind. Die stützt die germanistische These von der Nutzlosigkeit des Pärchens – es pflanzt sich nicht fort und ist damit für den Rest der Gesellschaft wertlos. Durch die Einwirkung von Umwelteinflüssen, anderen Individuen sowie des Faktors Zeit auf diese beiden werden die Individuen, die das Pärchen bilden, gezwungen, ihre unvorteilhaften Merkmale abzulegen, um Nachwuchs produzieren und versorgen zu können und viele Kopien ihrer vererbbaren, positiven Merkmale in die nächste Generation einzubringen.

Übersetzen wir diesen Passus nun aus dem Wissenschafts- ins Mario Barth-Deutsch, so heißt dies:

Biste toll, darfste bleiben, kriegen wa Kinder. Biste nich toll, kannste gehn.

Das Individuum also, das die meisten vorteilhaften Merkmale herausbildet, wird für die Erhaltung seiner Art sorgen können. Ein Pärchen sind somit zwei junge Individuen, die keine Ahnung vom Leben und den Härten des Prozesses der Fortpflanzung, dafür umso mehr Ahnung vom Feiern und der aktuellen Mode haben und die sich gerne mit anderen Pärchen über alles, aber nicht über Fortpflanzung unterhalten.

Dies wird gestützt durch Beobachtungen am Pärchen als Versuchsobjekt mit Kontexten in der Tierwelt:

Insbesondere junge Männer neigen zum so genannten Pfauenverhalten, indem sie sich mit ihren eigenen oder fremden Federn schmücken und Räder schlagen, um andere, möglichst Weibchen, zu beeindrucken. Dieses Verhalten ist insbesondere mit Beginn der Geschlechtsreife sehr ausgeprägt, allerdings nicht von Dauer – allzu oft schon war ein gebratener Pfau die Zierde einer fürstlichen Tafel.

Junge Frauen hingegen verhalten sich in Pärchenbeziehungen gerne wie aufgeschreckte Hühner, und auch wenn sogar deren dümmste Exemplare ab und an Korn finden, bedeutet dies nicht automatisch, dass es sich beim Korn um eine optisch wasserähnliche Flüssigkeit mit einem ausgeprägten Alkoholgeschmack handeln muss. Denn hat ein Huhn erst sehr viel Korn gefunden, lachen die Hühner zwar immer lauter und es geht zu wie auf dem Hühnerhof, doch geht das Huhn dann auch noch erst mit den Hühnern zu Bett, stelt sich nach dem nächsten Aufwachen meist weniger die Frage, ob zuerst Huhn oder Ei da war, sondern wie man möglichst schnell einer Hühnerbrühe habhaft werden kann.

Das Pärchen ist also für dauerhaftes Überleben völlig ungeeignet. Daraus erklärt sich auch, warum Pärchen so falsch aussieht – weil es falsch ist! Denn ausschließlich das Paar kann den Fortbestand der Art sichern. Daraus ergibt sich: Das Pärchen darf keinesfalls überleben!

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Soziologischer Lösungsansatz // Vom Pärchen zum Bärchen

Karl Lenz beschreibt in seiner Soziologie der Zweierbeziehung mehrere Paarformen: Das Paarsein als biografische Selbstverständlichkeit, das Paarsein als Vertrauensbeziehung, als eine pragmatische Festlegung, als Ambivalenz sowie das Paarsein als interaktive Exklusivitätserzeugung.

Das Pärchendasein ist hingegen geprägt von der gemeinsamen Selbstdarstellung. Man führt sich aus in Szene-Clubs, führt sich gegenseitig vor, führt sich an der Hand, und zieht sich gegenseitig aus. Wird es Weihnachten, schenkt man sich Pärchen-Adventskalender oder Pärchen-Handschuhe oder Schlüsselanhänger mit Fotos drin. Man geht zur Pärchen-Premiere von Männerherzen, in den Swingerclub (sagen die ersten 10 Google-Treffer), fährt in den Pärchen-Wellnessurlaub. Als Pärchen ist man Terrorist beim samstäglichen Pärchenterror bei IKEA und debattiert hochroten Kopfes über die notwendige Bettengröße und den Schlafkomfortunterschied zwischen Gutvik, Malm und Narvik. Man geht auf ein Lionel Richie-Konzert und knutscht bei “is it me you’re looking for”, bleibt im Einkaufszentrum inmitten der Menschenmenge stehen und knutscht, und wenn man nicht knutscht, verdreht man die Augen. Und wenn man gerade sonst nichts zu tun hat, wird man bei der Liebe geknipst oder rammt man betrunken ein Schild an einem McDrive und wundert sich im Pärchenkollektiv über den Single-Aufschrei “Pärchen verpisst euch, keiner vermisst euch!”.

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Woher also kommt bei “Paar” das zweite “a”, sobald man kein “Pärchen” mehr ist?

Rainald Grebe beschrei(b)t in “30-jährige Pärchen in Berlin-Mitte / Reich mir mal den Rettich rüber” das Pärchendasein: “Sushi ist gar nicht schwer – das Erotische beim Kochen ist das Zubehör. Wenn die Liebe geht, die Hobbys bleiben. Na, wir machen Schluss. Oder ein Kind.”

Schlussendlich ergibt sich aus dieser Beobachtung sowie aus allen vorangegangen Thesen, dass entgegen der ursprünglichen Fragestellung keineswegs ein Wandel vom Paar zum Pärchen erfolgt. Es ist umgekehrt, – aus einem Pärchen wird ein Paar. Und der Weg vom Pärchen zum Paar ist ein kurvenreicher. Denn den Zeitpunkt des Übergangs vom Pärchen zum Paar festzumachen gestaltet sich schwierig, da meist ein fließender Übergang erfolgt.

Das Pärchen ist ein zeitlich begrenzter Zustand, der zwingend vollständig enden (Synonym: Trennung) oder in den Paar-Zustand übergehen muss, wobei der Beginn des Paarzustands auch das Ende von allem bedeutet.

Man könnte nun erwidern “aber das ist doch kein Zustand!”, doch jeder, der einmal in einer Beziehung war, wird wissen, dass man in Beziehungen durchaus einmal Zustände kriegen kann.

Wichtige Zeitpunkte für den Übergang vom Pärchen zum Paar können sein: Verlobung. Heirat. Haus-/Wohnungskauf. Gemeinsamer Autokauf und andere größere Anschaffungen. Der ernsthafte Versuch des Herbeiführens einer Schwangerschaft. Geburt eines Kindes.
Weitere Warnsignale mit eindeutigen Paar-Tendenzen: Gemeinsame Wohnung. Schmieden von Zukunftsplänen über die nächsten 6 Monate hinaus. “Ich stell Dich meinen Eltern vor.” “Schaaaaatz,…” “Duuu, Bärchen / Mausi / Hasi / Vati / Mutti / Dickerchen / Schnecke / Moppelchen / Spatz / Mäusezähnchen / Schnuffel / …”. Krawatten zu Weihnachten.

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Auf dem Weg vom Pärchen zum Paar verschwindet daher so einiges:

-E: Ein-Zimmer-Appartment. Fanden wir mal romantisch. Jetzt finden wir’s nur noch eng.
-C: Clubbesuche und Ausgehen. Ersetzt durch gemütliche Abende vor dem Kamin auf dem heimeligen Sofa.
-H: Heimlichtuerei. Geht ja gar nicht mehr, man hockt ja jetzt nur noch aufeinander. Denkt man. Nimmt bald exponentiell zu – erkennbar daran, dass niemand es bemerken würde, wenn man Paar mit h schreiben würde. Das ist das heimliche H bei Paahr.
-E: Exzesse. Hatten wa ja alles schon, und Alkohol und Sex werden eh überschätzt.
-N: Nacktsein. Wozu auch, man kennt sich ja schon.

Dafür kommt dazu:
+A: Aufmerksamkeit. Lieber Pa(a)rtner, jetzt sind wir ein Paar. Ab sofort bleibt keiner Deiner Schritte mehr unbeobachtet. Harharhar.

Das zweite “a” bei Paar kommt aus dem Staub und setzt sich aus Bröseln zusammen:
Aus denen zwischen den Polstern der schwiegermutterlichen Couchgarnitur aus den 60ern. Aus den Bröseln aus geschmälzter Butter über Sonntagsbraten, Spätzle und brauner Soße. Es ist auferstanden aus dem Staub auf DVD-Sammlungen in Glasvitrinen. Und aus dem staubtrockenen Marmorguglhupf von Aldi mit einer Kerze drin zum ersten Hochzeitstag.

Das zweite a bei Paar kommt auch, weil man sich als Pärchen noch so nah ist, dass da gar kein zweites “a” zwischen einen passen würde. Da man sich als Paar aber unweigerlich distanziert und in die Paarmenge ja auch noch Kinder und Auto und Wohnung und Garten passen müssen, kann sich nun noch bequem ein zweites “a” da mit reinhocken, ohne dass es irgendjemandem auffallen würde. Das zweite “a” ist also rein distanz- und staubverschuldet.

Denn schon der Duden wusste, dass das Paarsein keine Liebesbeziehung bedeuten muss – sondern auch für rein durch eine rechtliche Grundlage miteinander verbundene Menschen steht. Ein weiterer Nebeneffekt des Paarseins lässt sich sowohl auditiv als auch optisch verdeutlichen – statt des knackig-kurzen Pärchen steht nun das langgezogene, breite Paar, mit dem oft auch durch häufige Spieleabende mit anderen Paaren, Frustessen und Sofakuschelabende eine gewisse optische Verbreiterung einhergeht.

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An alle Pärchen dieser Welt, – nun habt ihr es offiziell: Ihr seid hip, cool trendy, aber irgendwann wird man es euch sagen. “Man” ist dann entweder die potentielle Schwiegermutter oder die Stimme in eurem Kopf oder die Heilbronner Stimme – und die sagt: Traut euch!

Denn der Zustand des Paarseins ist kein anstrebenswerter, erst recht kein schöner, dafür umso mehr ein unausweichlicher, es führt also außer der Trennung noch nicht einmal eine rückschreitende Erosion daran vorbei.

Aber ein kleiner Trost zum Schluss – wenn’s mit dem Paarzustand ganz schlimm wird. Dann helfen immer noch:

Ein Paar Boxhandschuhe.
Ein Paar Schienbeinschoner. Oder:
Ein Paar Laufschuhe.

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Anm.: Der Text entstand als Antwort auf eine bei jetzt.de gestellte, nun titelgebende Frage.

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