Frau Reinhard testet (1): die Elite oder “das Besondere an mir ist, dass …”

Sicher erinnern auch Sie sich an den wegweisenden Schokocremetest und meinen darauf begründeten Ruf als Premium-Nutellabartträger. Doch damit nicht genug — dieser Artikel nun markiert den Beginn einer neuen, bahnbrechenden Serie von Versuchsprotokollen: Frau Reinhard testet. Heute: Die Elite.

  1. “Ich mache nur Abitur, um mich endlich bei ElitePartner anmelden zu können.” Das sagte ich gerne, früher, vor meiner Zeit als potentielle Hoffnung Deutschlands meinem Abitur. Nun, und wer Abitur sagt, muss auch Beziehungsstatusänderung sagen.
  2. Ich bin werberesistent.
  3. Mein Unterbewusstsein ist ein großes Loch, da fallen jeden Tag 98% der Informationen rein, die ich so im Vorbeigehen aufs Auge gedrückt bekomme. Bis also etwas aus meinem Unter- ins Bewusstsein gelangt, muss viel passieren.

Es ist viel passiert.

Ich habe das alles nicht gewollt.
Ich ahnte nicht, was passieren würde.
Es war ein Versehen.
Es war wirklich ein Versehen.

Dies ist die Geschichte, wieso mich seit drei Wochen täglich sehr attraktive Männer kennenlernen wollen.

Eines Morgens konnte ich um 4 Uhr nicht mehr schlafen. Es war Donnerstag, neben meinem Bett lag immer noch die Sonntagszeitung, die ohnehin kein normaler Mensch mit einem normalen Maß an Sozialkontakten an einem einzigen Sonntag liest. Ich griff mir die Zeitung, blätterte.

Und sah eine Anzeige. “Blablabla … Singles … Online … Kontaktbörse.”

 

Oh-ha. Dachte ich. Und keine drei Gedanken später: Muss. Das. Ausprobieren. Jetzt.

Da, Computer auf, Internet an. Sehe mich sicherheitshalber noch einmal um, ob auch wirklich niemand zusieht, als ich die URL in die Adresszeile tippe, ach, stimmt, das ist mein Schlafzimmer, ich bin ja Single, in meinem Schlafzimmer kann ja gar niemand sein. Ha! Mit Schwung drücke ich ENTER. OH. Seite lädt. Ups.

“Ihr richtiger Partner ist nur fünf Schritte entfernt.” Im Schlafzimmer wird es allmählich hell. Wenn ich jetzt aufstehe und fünf Schritte gehe, laufe ich

a) gegen eine Wand
b) gegen den Kaminofen
c) gegen das Klavier
oder laufe
d) aus dem Fenster und bin tot.

Vom “richtigen Partner”, geschweige denn Jake Gyllenhaal und Heath Ledger und diesem Typen mit den Tattoos und der Katze oder am besten allen drei gleichzeitig keine Spur. 

Gleich am Anfang die erste Lüge. Das fängt ja gut an.

Ich lese weiter. Da heißt es, gleich blühe mir ein “wissenschaftlicher Persönlichkeitstest”. Natürlich, Wissenschaft lügt niemals, schon gar kein “wissenschaftlicher Persönlichkeitstest”, das wissen wir Akademiker ja zu schätzen. (Ich habe “wir Akademiker” gesagt. Gnihi. Gelogen!) Und der richtige Partner sei nur eine Frage des richtigen Matchingverfahrens. Aha.

Ich erwarte eine Mischung aus Memory und Bauklötzchenspiel für Dreijährige und Markus Lanz und Gleich und Gleich gesellt sich gern. Außerdem denke ich an Match  und ich denke an Tennis und die Bekannten meiner Eltern, die ganze Nachmittage damit verbrachten, Tennis zu gucken, und wie unglaublich langweilig ich das fand. Tennisgucken: ödestes Hobby von Welt.

Weiter im Text. 70% der Partnersuchenden hier haben studiert. Heißt es. Jetzt fühle ich mich dumm. Dann sehe ich auch noch die Bilder, sie zeigen gut- und gebildet aussehende Menschen und darunter steht

“AKADEMIKER UND SINGLES MIT NIVEAU”.

Irgendwie beschleicht mich der Eindruck, ich bin da falsch.

Das kann ja heiter werden.

 

Sicherheitshalber recherchiere ich doch noch ein wenig. Da heißt es dann beispielsweise, dieses Ding sei TÜV-geprüft, ich frage mich nur, was der TÜV da getestet hat und ob die sich bei jedem Single erstmal das Abizeugnis und dann noch die Lohnbescheinigung zeigen lassen.

Jetzt soll ich also diesen Test durchführen, ich liebe es ja, Tests zu manipulieren machen. Der Vorteil: der Test ist kostenlos. Teuer wird es erst, sobald man im Test feststellt, dass man weder charakterlich noch optisch eine Vollniete ist und dann sein Glück fertig abgepackt abholen möchte.

Das Gute ist aber: das sind alles Multiple-Choice-Fragen, dank meiner Stochastik-Kenntnisse könnte ich jetzt auch gleich ausrechnen, wie hoch meine Chance ist, alle Fragen richtig zu beantworten. Lasse es doch sein. Bin müde. Es geht los, erstmal harmlos: was man so tut.

Oha, aber schon wird es ernst. Auf der nächsten Seiten wartet die Psycho-Nummer – mit Optionen wie diesen:

Um Himmels Willen. Ich dachte, da seien nur Akademiker unterwegs. So etwas kann doch kein halbwegs intelligenter Mensch ankreuzen, der nicht einen Partner mit Vollschaden möchte (Sie erinnern sich, Gleich und Gleich …). Ich kreuze nichts an und klicke weiter.

Wir kommen zum Bereich Optik: Größe, Augen- und Haarfarbe und Figur angeben. Und dann meine “äußere Erscheinung selbst einschätzen”. Frage: ist jetzt eher “normal” oder “sympathisch” das “hässlich” der Akademiker?

Schon wieder gelogen. Aber nur einmal. (Ich verrate aber nicht, wo. Hihi.)

 

Nachdem dann auch die Abfrage nach Bildung, Einkommen und Berufstätigkeit überstanden ist, folgt das Unvermeidliche: ergänzen Sie den Satz mit mindestens 7 Wörtern so, dass Ihr Gegenüber Sie für sexy, intelligent, kreativ, spannend und das ganz große Ding hält. Damit es besonders schlimm wird, haben wir uns einen wirklich außerordentlich schlechten Satzanfang ausgedacht. Und das geht so:

“Das Besondere an mir ist, dass …”

Da macht man auf drölfzig Testseiten einen auf höchste Wissenschaft und Heimat der Akademiker — und dann soll die wirtschaftliche Triebkraft Deutschlands zur Krönung diesen Satz vervollständigen? Also, bitte. Das ist doch ein Test, oder? Ihr wollt doch nur wissen, ob eure Akademiker in der Lage sind, einen Satz korrekt zu vervollständigen, oder?

Und die Versuchung ist so groß. So, so groß, dass ich nicht widerstehen kann. Ich vervollständige: das Besondere an mir ist, dass …

Immerhin, die magische Grenze von 7 Wörtern wäre erreicht. Wird wieder nicht akzeptiert. Ich starte einen allerletzten Versuch. Und jetzt halten Sie sich fest – ich habe mich selbst übertroffen:

Liebe Güte.
Habe ich das wirklich geschrieben?
Oh ja, das habe ich. Und beim Lesen dieser Zeilen läuft es mir jetzt noch eiskalt den Rücken herunter. Egal.

Nun kommt noch die Drohung: “Alle Single-Profile werden von Redakteuren von Hand geprüft”. Oh verdammt. Ich bin verloren. Schon sehe ich mich vor Gott, der Inquisition, dem Papst oder gar der ElitePartner-Redaktion antanzen, wo ich erst

“All The Single Ladies” von Beyoncé performen

und dann Stein, Bein und George Clooney schwören muss, nie wieder ein Profil anzulegen, das höchstens das Prädikat realitätsnah verdient.

Aber, hey, Leben am Limit. Weiter klicken. Und abwarten. Jetzt geschieht das Unausweichliche: das System matcht (so sagen wir das im Partnerbörsendeutsch). Und dann,

tadaaaa –

Moment. Angestellte? Managerin? Lehrerin mit Rechtschreibfehlern in der Selbstbeschreibung?

Ich sehe die Ergebnisse durch. 167 Partnervorschläge. 167 davon sind Frauen. Ich bin irritiert, – möchte diese Seite mir damit sagen, dass meine wahre Liebe eine Frau ist? Dass mir ohnehin kein Mann gerecht werden kann kein Mann das Wasser reichen kann der Hang zu Männern abhandengekommen ist — äh. Ich klicke weiter und durchforste die Seite.

Irgendwo muss doch …

Schließlich stellt sich heraus: es liegt doch nicht an meiner komplexen Persönlichkeit Intelligenz Schönheit Männerinkompatibilität — ich hatte die Standardeinstellung “Frau sucht Frau” übernommen, ob versehentlich oder nicht, sei dahingestellt. (Dass das die Standardeinstellung war, ist ja schon fast wieder cool.) Irgendwo in der dunkelsten, verlorensten Ecke der Profil-Einstellungen schileßlich finde ich den Menüpunkt, kommt wohl nicht so häufig vor, dass jemand binnen 20 Minute seine Zielgruppe ändert.

Doch nun kommt es noch viel schlimmer, als ich mir in meinen schlimmsten Alpträumen auszumalen gewagt hätte. …

Denn: seit Wochen erfahre ich nun, welcher Typus Mann nach wissenschaftlichen Kriterien am besten zu mir passt. In prozentualer Übereinstimmung.

Sehen Sie also nun hier – meinen Südpol, mein Yin, meinen Mickey, meinen Asterix, meinen Robin und meinen Clyde:

  • Projektmanager, 26, an dem ganz besonders ist, dass er “dieses Formular wirklich schon ausgefüllt” hat – 89%
  • Derivate-Manager, an dem ganz besonders ist, dass “die Frau, die mich bekommt, sehr glücklich sein wird”. – 89%
  • “Kekseessender Betriebswirt”
  • Rechtsanwalt, 34, “meiner Meinung nach wäre ich ein ganz guter Fang ;-)” – 85% (für das Satzzeichengesicht ziehe ich gleich 30% ab. Sorry.)
  • Unternehmensberater, 36, sehr attraktiv: “Das Besondere an mir ist, dass … dass ich weiss was ich will.. und immer mit George Clooney verwechselt werde. ;-)” (siehe oben) – 85%
  • Arzt, 35: “Das Besondere an mir ist, dass ich gern vollschlanke Frauen mit Humor mag.” Zu dumm, dass ich keinen Humor habe.
  • Doktorand, 29, “Physiker aber trotzdem sympathisch. ;-)” – 85%
  • “Das Besondere an mir ist, dass du mir auf einer einsamen Insel nur ein Schweizer Taschenmesser und 24 Stunden Zeit geben musst und wir haben ein Dach über dem Kopf, einen Ofen und fließend warm Wasser ;-).” – sagt wer? Ein Designer. …

Und dann wären da noch:

  • der Typ, der sich “couchpotatoig” nannte (und “relativ nett”).
  • “sehr nett und immer sehr lieb” – 85%
  • der, der “gerne genau wissen möchte, wie und warum etwas funktioniert” – Dipl.-Ing. – 85%
  • der, der sich fragt, wie das Wetter morgen wird – 85%
  • Außerdem: Manager (jugendlicher Typ), Projektentwickler (ich kenne die Namen aller Blumen), Unternehmensberater (ich suche nicht, ich finde), Ingenieur (ich schnarche NICHT!) und Online Marketing Manager (party- UND theatertauglich!).

Nun also sind Manager Controlling, 39; Beratung, 31; Er, sehr attraktiv, 29; Hochschuldozent, 34, sehr attraktiv und viele weitere Namenlose mit den verschiedensten Berufen SEHR INTERESSIERT an mir und WARTEN DARAUF, mich endlich kennenzulernen. Das macht mir an sich nichts aus, darin hab ich Übung, und da all diese tollen Männer eine Frau kennenlernen wollen, die MUSICALS liebt, hat sich das alles eh schon erledigt.

Eines allerdings bereitet mir wirklich seit drei Wochen schlaflose Nächte und Kopfzerbrechen:

warum haben der “hoffnungslose Romantiker” und ich

eine Übereinstimmung von 92 Prozent?

Kennen auch Sie Produkte, eine gesellschaftliche Schicht, ein Phänomen, eine Modeerscheinung, eine Sportart oder einen Lebensstil, die dringend einem Test unterzogen werden müssen? Soll ich mich auch für Sie todesmutig in Schokocreme baden, Modeblogger fotografieren, Domian anrufen, Bubble Tea trinken, in Springbrunnen duschen oder Eiswürfel-, Vodka- und Ketchupsorten vergleichen?

Nennen Sie Ihre Wünsche, Anregungen und Vorschläge. Hier, In diesem freundlichen Kontaktformular. Schreiben Sie mir! Jetzt. Und hier:

 

One comment

  1. Danke, so konnte ich meinem Zwerchfell den Weg ins Fitnessstudio ersparen.
    Meine Vorschläge:

    -verschiedene Zimtsorten testen (je 1TL voll)
    -einmal über die Spree schwimmen
    -1 Tag antivegan leben (nur tierische Produkte konsumieren) + Bonus: dabei Bioläden in Prenzlberg abklappern und wilde Hypothesen verbreiten.

    Es grüßt,
    ich.

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