Fukushima, Japan

Am Freitag sieht man ungläubig auf Animationen von Kontinentalplatten, und auf die Wucht, mit der ganze Dörfer weggerissen wurden, und alles ist so groß, dass man denkt, es ginge um die Häuser, wo es doch um Menschen geht. Nachts bleibt man wach, um zu erfahren, wenn etwas passiert, als könnte man dadurch irgendetwas ändern. Früh morgens liest man die Zahl der Beben, die Zahl der Verletzten, die Zahl der Toten. Und hat noch nicht einmal verstanden, wie ein Atomkraftwerk genau funktioniert. Was genau vor 25 Jahren in Tschernobyl passiert ist. Oder gewusst, dass weltweit noch 442 Reaktoren am Netz sind. Und 65 im Bau.

Man wundert sich über all die online auftauchenden Zyniker, Witzeerzähler, Besserwisser und Kernkraftexperten. Und über die, die sich beschweren, dass der Bäcker um die Ecke geschlossen hat. Dann denkt man kurz an den Begriff der Problemwelten, daran, dass man die eigene mickrige Welt weiter öffnen sollte. (Das ist kein Gutmenschentum, kein Weltverbesserungsdenken. Das ist der Versuch einer Relativierung der eigenen Existenz.)

Also schaltet man den Computer aus und wartet. Warten auf den Weltuntergang? Nein. Man zählt die Zeit, bis alles  explodiert. Um bald weiterzugehen, als wäre nichts geschehen.

Zynisch? Realistisch.

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By L.

I walk fast.

8 comments

  1. …die eigene Welt öffnen ist schon o.K.,aber nicht vernachlässigen (der Ärger über den Bäcker bleibt !

  2. Sehr richtig!
    (Jetzt wartet man nur noch darauf, dass diese Katastrophe in einem Satz mit der gefälschten Doktorarbeit genannt wird.) Es ist erschreckend, wie sich diese ganze Online-Offline Nachrichtenwelt entwickelt und, dass das alles gar nicht mehr richtig zu kontrollieren ist.
    Und wir alle mittendrin.

  3. @3ich3 ich will Existenzsorgen nicht kleinreden. Nur: Kann man vielleicht mal kurz …?

    @Rhia und die Frage, wo das hinführt

  4. Wobei es bei so einer Katastrophe (leider) auch nur bedingt um die Menschen geht. Es geht vielmehr um die Aufrechterhaltung von Systemen. Wenn sich die Aktienkurse der Tokioter Börse wieder erholen, wenn sich das Leben halbwegs wieder normalisiert, sind Einzelschicksale – seien es auch 100000 – für das Funktionieren einer Gesellschaft irrelevant.

  5. @Creh hab mir im Post ein “wartet ein paar Wochen, bis sich die Welt beruhigt hat, die Toten begraben sind, und die nächste AKW-Laufzeitverlängerung beschlossen wird” gespart. Weil du Recht hast.

  6. Zynisch… & gut. (8)
    Für Realismus, der nicht in Zahlen ausgedrückt wird,
    scheint die Zeit abgelaufen zu sein.
    Schon i-wie unschön… aber stellt Euch vor,
    dass 75% aller Bäcker Deutschlands keinen Bock mehr hätten,
    Brötchen zu verteilen, nachdem in Japan die Erde gebebt hat.
    Worüber würde mehr geschreiben werden?

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