Weihnachten 2012: Bekenntnisse einer Nichtfeiernden

Überall wo man etwas kaufen kann bei Facebook schreit es schon seit Monaten BALD IST WEIHNACHTEN. Und dann wacht man eines Morgens friedlich auf, und es ist der 21. Dezember. 3 Tage bis Heiligabend.

OH.

Nun ist ja der gregorianische Kalender bereits seit ein paar Jahren relativ konstant, mit dem Eintreten von Weihnachten wäre also zu rechnen gewesen. Allerdings führen Weihnachten und ich eine On-Off-Beziehung, weshalb es für mich jedes Jahr wieder recht überraschend kommt. Genauer gesagt:
ich feiere kein Weihnachten.

Natürlich freut sich auch der kleine Atheist in mir, dass an Weihnachten immer fast alle frei haben (sogar ich). Was also macht jemand, der zuhause bleibt, dessen Freunde zum größten Teil nicht in der Stadt sind und der sich dem Weihnachtsrummel entziehen will? In einigen Jahren habe ich an den Weihnachtsfeiertagen trotzdem gefeiert – mit Freunden, einer_einem Liebsten. Dass wir uns haben. Und dieses Leben. Manches Jahr war auch wie 2010, als ich am 22. Dezember umzog: es schneite wie in einem Roland Emmerich-Film, auf den Straßen lag kniehoch Schneematsch und an Heiligabend war ich immer noch mit dem Auspacken nasser Umzugskartons beschäftigt. In einigen anderen Jahren habe ich Heiligabend in einer Bar verbracht, in einer der wenigen, die überhaupt geöffnet haben. Dort saß ich in der Gesellschaft einiger anderer Gestrandeter an der Theke, ließ bei Rotwein und Whiskey das Jahr Revue passieren und ging irgendwann zu sehr später Stunde nach Hause. An Heiligabend wird in Bars noch weniger geredet als sonst.

Weihnachten nicht zu feiern heißt aber auch: kein Baum, kein Lametta, keine RumKugeln, kein Weihnachtsmenü (außer Kartoffelsalat mit Würstchen vielleicht), kein Dekozeugs. Die einzigen Stücke in meiner Wohnung, die man für verunglückte Weihnachtsdeko halten könnte, sind:

  1. ein vertrockneter Thymian auf der Fensterbank.
  2. eine Winkekatze aus Gold. War in einem früheren Leben eine Echtgold-Christbaumkugel. Wirklich.
  3. ein 3 Jahre alter Mistelzweig. Dieser Mistelzweig, sofern man diese ausgedörrten Zweiglein und Blättlein noch als solchen bezeichnen kann, hängt an einer Lampe im Flur. Aus praktischen Gründen:
    • Ich müsste die Leiter holen, die nur in der Küche, also 1,5 Meter entfernt steht, aber ICH MÜSSTE DIE LEITER HOLEN
    • Ich müsste auf die Leiter klettern, was bedeutet, dass ich herunterfallen könnte, was recht wahrscheinlich ist und bedeuten könnte, dass ich ins Krankenhaus muss. Kurz: hänge ich den Mistelzweig ab, muss ich ins Krankenhaus.

Auch wenn ich selbst nicht feiere – in fast allen Jahren habe ich dennoch Dinge verschenkt. Weil es liebe Menschen gibt, von denen manche weit entfernt wohnen und diese Menschen wissen sollen, dass ich an sie denke. Weil ich es liebe, Geschenke zu machen, weil gegen Jahresende häufig Zeit war, sich darum zu kümmern. In diesem Jahr — war keine Zeit. Und in diesem Jahr hat sich mir der Sinn all dieses Weihnachtsrummels noch weniger erschlossen als sonst. Ich habe all das nur im Vorbeigehen mitbekommen, und empfand es nur noch als eine große Absurdität. Nicht einmal ein Geschenk für mich selbst habe ich zustande gebracht (erst bestellte ich das Falsche, dann gab ich die falsche Versandadresse an, das zog sich über drei Wochen, danach hatte ich keine Lust mehr).

Deshalb gibt es dieses Jahr andere Geschenke: einige längst überfällige Besuche. Zeit für ein langes Telefonat. Einen Abend im Theater. Eine Fototour durch die Stadt. Einen Tag in einer Therme. Einen Abend in einer Bar. (Ich plane sogar, jemanden zu bekochen. (Sofern ich bis dahin herausfinde, wie mein Herd funktioniert.)) Ich verschenke Zeit. Die fehlte dieses Jahr an allen Ecken und Enden, und ganz besonders oft an den wichtigen Stellen. Und bevor ich Zeit verschenken kann, brauche ich ein wenig davon für mich.

Was in diesem Jahr passieren wird, ist deshalb Folgendes: Ich werde sehr gutes Essen kaufen und Getränke (nie wieder Glühwein), und dann werde ich das alles zusammen mit meinem Rechner und allen Staffeln von zwei Serien, diversen DVDs, einem drei Meter hohen Stapel ungelesener Bücher und meinen Textentwürfen um mein Bett herum aufbauen. Und dann werde ich die ganze Zeit im Bett liegen und mich hinter den Bücherstapeln verschanzen und Weihnachten und die Welt können mich mal. Und wenn ich dann doch ein bisschen sentimental werde, zünde ich ein Teelicht an.

P.S.: Und weil ich mich kenne, weiß ich, dass eh wieder alles anders kommen wird. Dass ich Heiligabend die Trutzburg verlassen und die Nacht wieder in der Bar verbringen werde. Vielleicht. Oder woanders. Vielleicht. Und ich weiß auch, dass ich dann vielleicht einmal das Radio einschalten werde, um menschliche Stimmen zu hören, und ausgerechnet dann Last Christmas läuft. Man kann sich dem nicht entziehen. Nicht nur, dass Weihnachten überall, wo es etwas zu kaufen gibt, also omnipräsent wäre, nein – dann gibt es auch noch diese unsäglichen Leute, die Blogposts über Weihnachten schreiben und über soziale Netzwerke verbreiten. Wie diesen zum Beispiel.

Fröhliche Weihnachten.

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