Herbstnacht

Sie schlug die Augen auf, das Licht der Lampe neben ihrem Kopf blendete sie. Die Nacht hatte sich über die Stadt gelegt wie ein Mantel des Schweigens. Ihr Nacken tat weh, sie war wieder auf dem Sofa eingenickt.

Sie stand auf, schlich ins Bad. Gerade einmal eine Stunde hatte sie geschlafen, sagten ihr die grünen Ziffern der kleinen Uhr am Badewannenrand. In dem kleinen, müden Spiegel betrachtete sie sich. Die Haare zerzaust, rote Wangen und glänzende Lippen. Ihr Gesicht wirkte bei weitem schöner als zuvor den ganzen Tag über. Warum war man eigentlich in den Momenten – in denen man gut aussah, sich wohl fühlte und sich, entgegen aller sonstigen Selbstzweifel und Kritik, auch selbst für attraktiv hielt – immer alleine?
Sie hätte zu gerne gewusst, wovon sie bis gerade eben geträumt hatte. Einzig die Ringe unter ihren Augen zeugten davon, dass die Nächte der letzten Wochen voller Albträume und die Tage vor den Nächten arbeitsreich gewesen waren.

Der Wasserhahn gluckerte. Sie betupfte ihre Lider mit ein wenig kaltem Wasser, riss sich von ihrem Anblick im matten Spiegel weg und schaltete die Lampe im Bad aus.

Die Lichter der Stadt glänzten in kalten Spiegelbildern auf dem Asphalt, die Blätter des Baumes raschelten in der Nacht, der Vorhang zitterte ein wenig im Wind. Die Bettwäsche roch einladend, noch ein wenig nach Waschmittel, sie meinte, dass selbst der Geruch des Zerknittertseins der Laken in der Luft hing. Sie kroch unter die Decke, tastete mit den Füßen nach deren rauer Oberfläche. Auf ihrer Haut breitete sich zentimeterweise die kühle Schwere aus, sie atmete die Nachtluft ein.

 

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