Mein neuer Freund

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Der Mann an sich ist ja ein eher desillusionierendes Wesen.

Da findet man einmal einen, der recht brauchbar ist, und mit “recht brauchbar” meine ich, dass er nicht nur ein Steak braten, sondern auch aufrecht gehen und auf einfache Fragen mit “ja”, “nein” und “vielleicht” antworten kann. Kaum findet man so einen, stellt sich meist binnen weniger Wochen heraus, dass er entweder hauptberuflicher Heiratsschwindler, leidenschaftlicher Numismatiker oder womöglich überzeugter Romantiker ist. Oder den Intelligenzquotienten einer Scheibe Toastbrot besitzt.

Es war ein trüber Tag Mitte Januar und ich zog eine Zwischenbilanz:

In den vergangenen Monaten hatte ich Verabredungen mit Heiratsschwindlern, Numismatikern, Romantikern und Toastbroten erfolgreich überlebt. Die einfachste Überlebensstrategie hierfür war das Vortäuschen falscher Tatsachen, besonders empfehlen sich gebärende Freundinnen. (An dieser Stelle ein Dank an meine besten Freundin, die auf diesem Wege achtunddreißig Kinder binnnen sechs Monaten zur Welt gebracht hat.) Manchmal zog ich auch eine Digitalkamera aus meiner Handtasche und erklärte meinem Gegenüber ausführlich, dass das Treffen die ganze Zeit mit versteckter Kamera gefilmt worden sei und er gerade an einem Casting für die Show “Das Model und der Freak” teilgenommen habe. (Als Model.)

Um es kurz zu machen: Es war ein nicht enden wollender Alptraum. Und ich war an einem Punkt angelangt, an dem das Kapitel Männer endgültig abgeschlossen war.

Also, jedenfalls einerseits. Es gab da noch das andererseits. Denn andererseits fand ich die Idee, weiter Single zu sein, eher nicht gut. So entschied ich: eine neue Beziehung muss her. Also, eine richtige Beziehung. Und keine halben Sachen mehr. Unter Hauptgewinn oder Sechser im Lotto mach ich’s nicht mehr. So dachte ich mir das. Zufällig war in der Stadt, in der ich wohne, gerade Jahrmarkt. Nach all meinem Pech in Liebesdingen beschloss ich, mein Glück im Spiel zu suchen.

Aber, ach, was soll ich sagen: an der Losbude zog ich nur Nieten, ich schoss mit Pfeilen auf Luftballons, da kam ganz plötzlich Sturmwind auf, und der Spielautomat, in den ich mein Kleingeld warf, meldete sich nach Einwurf der letzten Münze als defekt ab. Enttäuscht sah ich mich um: blieben noch die Achterbahn, die Buden mit Zuckerwatte, Süßigkeiten und Currywurst und die Geisterbahn.

Die Aussichten waren schlecht. Mehr als schlecht.

Doch da sah ich es in der hintersten Ecke des Festplatzes: ein kleiner Holzverschlag. Ein Schießstand! Mein kleines pazifistisches Gewissen und meine Abneigung gegen Schusswaffen ließen mich kurz innehalten. Schießen? Für die Liebe? Ich zweifelte. Doch mein Gewissen beruhigte sich schnell: dies war quasi eine Notsituation, und in solchen Situationen muss man Opfer bringen. Ich lief los.

Nach einigen Jahren als Single und vielen nächtlichen Streifzügen durch die Jagdreviere der Stadt hatte ich zwar mittlerweile in meinem Wohnzimmer eine ansehnliche Trophäensammlung aufgebaut. Dass ich jedoch einen Mann tatsächlich einmal mit einem Gewehr erlegen würde, hatte nicht einmal ich für möglich gehalten.

Ich zählte mein letztes Geld.

Ich kaufte 25 Schuss.

Und ich zielte nicht. Ich traf. 

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Dies ist die Geschichte, warum mein neuer Freund ein ein Meter fünzig großer Teddybär ist.

Der Standbesitzer war nicht gerade begeistert, seinen Hauptgewinn rausrücken zu müssen. Mit zusammengekniffenen Augen warf er mir den Teddy über den Tresen zu. Ich sah ihn mir an. Er hatte honigfarbenes Fell, große, dunkle Augen und breite Schultern. Und er hielt ein Herz, auf dem in großen Lettern I LOVE YOU stand. Ich war ein wenig schockiert, ich finde ja, für eine Liebeserklärung sollte man sich doch etwas länger kennen.

Dann kraulte ich vorsichtig seinen flauschigen Fellbauch. Ein Mann mit Flausch! Ich glaube, danach murmelte der Standbesitzer noch etwas von “herzlichen Glückwunsch”, er könnte aber genauso gut “besonders gut schmecken Teddybären ja mit Vanillesoße” oder “frohe Ostern” gesagt haben. Es war mir egal. Ich war verliebt. Um dem Griesgram und seinem Schießstand zu entkommen, bevor er mit seinem Gewehr auf Teddy und mich losgehen konnte, nahm ich ihn huckepack, wir liefen am Rande des Festplatzes entlang und nach Hause.

Seit diesem Tag sind wir zusammen.

Ich nehme ihn inzwischen überall mit hin. In der Fußgängerzone drehen sich die Leute manchmal nach uns um, aber ich kann sie ja verstehen, eine Frau, die ihren Freund um 30 Zentimeter überragt, sieht man ja auch nicht so oft.

Was die Leute sagen, ist mir egal. Ich mag ihn.

Ich mag, dass er Flausch hat, und dunkle Augen, und ich mag, dass er dieses Teddybärenbrummen brummt, wenn man ihn auf den Bauch drückt (außer wenn die Batterie leer ist, dann ist er still).

Und er redet kein dummes Zeug. Zwar redet er auch kein kluges Zeug, das macht aber nichts, denn so wird er nie sagen “Schatz? Wir müssen reden.”, oder “Meine Mutter kocht im Übrigen sehr viel besser als du.” Wenn ich es so überlege, kenne ich seine Mutter überhaupt nicht, und ich will sie auch gar nicht kennenlernen. Bärenmütter sind sicher sehr gefährlich.

Aber auch ohne seine Mutter haben wir so unsere Konflikte. Manchmal bitte ich ihn, die Spülmaschine auszuräumen, die Wohnung zu saugen oder den Müll runterzubringen. Und was macht er? Sieht mich immer mit dem selben ausdruckslosen Gesichtsausdruck an. Diese Teilnahmslosigkeit macht mich so wütend! Am Anfang habe ich noch versucht, ihm zu erklären, dass für mich in einer Beziehung entscheidend ist, dass beide ihren Beitrag leisten. Am Ende lief es aber doch immer darauf hinaus, dass ich ihn und die Mülltüten die Treppe hinuntertragen musste, damit er den Müll in die Mülltonne werfen konnte, woraufhin ich ihn wieder nach oben trug (wir wohnen im fünften Stock). Seitdem spare ich mir einfach, ihn überhaupt noch um Hilfe zu bitten. Macho. Ich meine, eine emanzipierte Frau zu sein, ist ja das eine. Wenn Emanzipation aber heißt, den Mann ständig durch die Gegend tragen zu müssen, möchte ich die Emanzipation bitte umtauschen.

Ach, ich habe es wirklich nicht immer leicht mit ihm. Letztes Wochenende tranken wir abends Rotwein, er kleckerte ein wenig, jetzt hat er einen Rotweinfleck auf dem Bauch und ich weiß nicht, ob ich meinen Mann einfach so in die Waschmaschine stecken darf oder ob er dann kaputtgeht. Und einmal waren wir zusammen im Schwimmbad, das war auch nicht so gut, noch Wochen später sammelte sich das Wasser in Pfützen unter ihm. Der Mann läuft aus.

Er hat auch schon einen deutlichen Bauchansatz, obwohl er nichts isst. Es ist zum Verzweifeln. Immerzu hält er dieses Herz fest, nie lässt er es los, und wenn ich versuche, ihn zu füttern, dreht er den Kopf weg. Manchmal kann ich es nicht mehr mit ansehen, dann lasse ich ihn über Nacht mit einer Schüssel Schokoladenpudding in der Küche sitzen und sage ihm, dass er erst zu mir ins Bett darf, wenn er aufgegessen hat.

Manchmal finde ich es schade, dass mein neuer Freund lieber die ganze Nacht in der Küche sitzt, als mit mir ins Bett zu gehen. Wenn ich morgens aufstehe, sitzt manchmal eine fette Fliege auf der Puddinghaut und lacht mich aus.

Ich glaube, gestern hat er mich gefragt, ob ich ihn heiraten will. Ich habe Ja gesagt, der Termin beim Standesamt ist Mitte Mai. Ich freu mich schon so! Jetzt muss ich nur noch einen Personalausweis für ihn fälschen. Dann ist unsere Liebe perfekt.

By L.

I walk fast.

5 comments

  1. Ich weiss nicht, ob Kritik hier erwuenscht ist, und ich lese auch noch nicht lange mit, aber dieser Post hat mich, nach dem was ich bisher gelesen habe, sehr enttaeuscht.

    Du erfuellst saemtliche Klischees (Angst vor Single-Dasein, Maenner sind Schweine) und spinnst sie weiter auf eine Art, die, mit Verlaub gesagt, sehr vorhersehbar ist. Alles nach dem “Teddybaer-Brummen” klingt nach: aus den Fingern gesaugt, und zwar krampfhaft. Vielleicht geht es nur mir so, aber die “einen Teddy zum Mann”-Nummer kommt mir einfach nicht sonderlich witzig oder originell vor.

    Anyways, das wollte ich nur loswerden. Liebe Gruesse, trotz allem!

  2. Liebe queen of maybe,

    hier ist alles erlaubt. Und weil die Texte hier für jeden sein können, was sie sein sollen — danke für Deinen Kommentar!

    Herzlichst,
    Lena

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