Hello world. This is me, talking about danger, privacy and people on the internet.

And about the question: What is the Internet überhaupt?

“Du musst eine sehr schwere Geburt gewesen sein… Seid ihr eigentlich per Kaiserschnitt zur Welt gekommen, Dein Laptop und Du?”

Als viele Kinder in meiner Klasse noch nicht wussten, wie ein 56k-Modem fiept, hatte ich eine eigene E-Mail-Adresse. Leider konnte ich niemandem schreiben – Internet für zuhause war noch unbezahlbar, vor allem aber hatte niemand aus meiem Freundeskreis eine E-Mail-Adresse. Zwei Jahre später: Ich habe ICQ nicht installiert, weil in der Lizenzvereinbarung etwas von “Trojanern” und “Viren” stand, und weil ich irgendwo aufgeschnappt hatte, dass das irgendwie die Bösen sind.
Noch ein wenig später startete ich einen Blog, telefonierte übers Netz mit Freunden in Canada, hatte einen 100-Seiten-Aufsatz zu Web 2.0 verfasst, Bücher über CSS und HTML überflogen, führte mit Freunden Diskussionen über IT-Security und Datenschutz, das tägliche Schwimmtraining planten wir über Mailinglisten und Online-Terminplaner. Da las ich schon längst nicht mehr zu allem, was ich installierte, die Lizenzvereinbarung, sondern klickte unbesehen auf “ich stimme zu”. Wird schon passen… Ich war leichtfertiger geworden. Und ich machte mehr. Ich war drin. Ich war online.

Ich bin mit dem Internet groß geworden – und das Internet mit mir

how I met the Internet

Zu 56k-Zeiten, als noch niemand das Wort “Internet-Flatrate” auch nur buchstabieren konnte, habe ich am Tag noch 3, 4 für mich wichtige Internetseiten besucht, – um Songtexte zu suchen, meine Mails abzurufen, und Gitarren-Akkorde zu Liedern zu finden. Heute habe ich: 64 Feeds abonniert. 388 Seiten als Favoriten markiert. Bin in 6 Social Networks aktiv angemeldet. Und und und…
Und bin ich zwei Wochen lang offline, erwartet mich bei der Rückkehr eine E-Mail-Anzahl im hohen dreistelligen Bereich. Ich bin die personifizierte Suchmaschine, was auch immer Du wissen willst – ich werde es finden.

Und deshalb weiß ich auch, was über mich online steht

Vor allem weiß ich auch: Wer etwas über mich erfahren will, muss sich dafür nicht sonderlich viel Mühe geben.
Klickt man von auf meinen Blog, liest sich durchs Impressum, findet meinen vollen Namen, kann im Cache einer Suchmaschine nachlesen, was ich schon alles beruflich gemacht habe. Findet Gedicht- und Fotowettbewerbe, bei denen ich einen Blumentopf gewonnen habe. Ein paar alten Tweets, ein Uralt-Neon-Profil, und es gibt zu erfahren, dass ich früher einmal glaubte, unter Wasser atmen zu können. Außerdem: Ein Profil bei last.fm und damit ein scheinbar völlig konfuser Musikgeschmack von Anajo bis Zukunftsmusik. Und die Texte bei jetzt.de: Texte mit Zollstock, über eine Begegnungen bei einem Psychiater, ein unter ungeklärten Umständen kaputtgegangenes Bett, übers Weihnachtenalleineverbringen. Vom Küssen, vom Gehen, vom sich-Begegnen, vom Wegsehen.

Das Netz vergisst nichts

Natürlich sind darunter auch Bilder und Texte, die ich heute nicht mehr so veröffentlichen würde. Aber: Sie waren mir einmal wichtig, weil ich damit etwas sagen wollte, deshalb sind sie auch ok. Wenn es in einer Biographie Ereignisse gibt, die man unter “Jugendsünden” verbuchen muss, warum dann nicht auch im Internet? Das klingt sehr kurzsichtig gedacht. Wir alle werden uns jedoch daran gewöhnen müssen, zukünftig leichter zu finden zu sein. Wer einmal einen Wettbewerb gewonnen, ehrenamtlich gearbeitet, etwas in einer Zeitung veröffentlicht oder mit seiner Fußballmanschaft ein Spiel gewonnen hat, landet schnell mit seinem vollen Namen online – ohne selbst dafür auch nur einen Mausklick gemacht zu haben.

Ich denke daher, man kommt irgendwann an den Punkt, an dem man sich entscheiden muss: Achte ich peinlichst genau darauf, dass alles, was über mich online steht, und was über mich zu finden ist, lebenslaufkonform und jobtauglich frisiert bleibt? Oder blogge ich unter meinem Echtnamen, laufe damit zwar Gefahr, vorverurteilt zu werden, und entgegne dem aber mit dem Trotz eines Vierjährigen “wer mich nicht mit meinen Uralt-Blogposts haben will, der braucht mich auch nicht!”?
Ich halte grundsätzlich ein Dauer-Lebenslauf-Denken für übertrieben. Jeden Klick auf einen “speichern”-Button zu überdenken unter dem Motto “was könnte ein potenzieller Arbeitgeber darüber denken?” hätte Freud vermutlich für das Auferlegen des ultimativen arbeitgeberkompatiblen Über-Ichs gehalten. Ich sollte das, was ich tue, vertreten können, und zu dem, was ich einmal geschrieben habe, auch stehen – selbst wenn ich meine Meinung zwischenzeitlich geändert habe. Andererseits ist das Netz auch sehr trügerisch – und lullt einen schnell in ein “es wird schon nichts passieren” ein. Die Schnittstelle zwischen Online und Offline ist das Glatteis, auf dem unsere Generation geht. Habe ich eine Online-Identität, die ich gerne verbergen würde, laufe ich immer Gefahr, dass jemand aus meinem Offline-Leben davon erfährt. Das Internet ist nicht so schweigsam, wie es zu sein vorgibt.

Menschen aus dem Internet

Wer all das von mir liest und dazu noch mein Foto unter “About” ansieht, bastelt sich unweigerlich ein Bild von mir zurecht, das kann von “arrogante Zicke mit Hang zu exorbitantem Männerverschleiß” über “die soll doch gerade machen, was sie will. Dumme, eingebildete Nuss” bis hin zu “hm. Vielleicht ist die ja ganz anders” oder “aha. Mir doch wurscht” so einiges sein. Hier steht deshalb der Warnhinweis: “Wer hier liest, lernt damit einige meiner Online-Seiten kennen. Offline bin ich ähnlich, aber selten.”

Denn dieses Bild in seinem Kopf entstehen zu lassen, ist ja ok, schließlich hat man online nicht diesen berühmten Blick zur Verfügung, mit dem man andere taxieren könnte – also taxiert man eben das, was sie tun, was sie von sich preisgeben, was Suchmaschinen über sie liefern (auch wenn die Frage, ob man eine neue Bekanntschaft gleich mal googlen sollte, eine eigene Diskussion wert wäre). Das, was man online von einem Menschen oder über ihn erfahren kann, ist immer nur ein Teil. Man darf nie vergessen, dass hinter flachen Buchstaben und Bildern eine dreidimensionale Person steckt, von der ich hier bestenfalls ein treffendes Abbild vorfinde. Wer etwas, das er hier liest, als Anlass findet, mich für dämlich / scheiße / unsympathisch zu halten – bitte, der kann sich zu denen stellen, die mich für bekloppt halten, weil ich, wenn ich in der Stimmung dafür bin, Xavier Naidoo höre. Klar finde ich es gut, wenn Menschen das mögen, was ich mache. Aber wer mich aufgrund eines Profilbildes, auf dem ich seltsam gucke, oder aufgrund meines Musikgeschmacks blöde findet – bitte.

Das Internet war sehr oft sehr gut zu mir. Darüber habe ich Wohnungen gefunden. Eine Küche verkauft. Instrumente, Noten, Bücher, Foto-Zubehör, Kleidung, Konzertkarten gekauft. Meine alten Lieblingslieder wieder gefunden. Es hat mir nicht nur geholfen, Kontakte zu alten Freunden und Verwandten in aller Welt zu halten, sondern mir auch tolle Menschen ins Leben geholt. Es kann ein Platz sein, um spannende und unheimlich faszinierende Menschen kennenzulernen, denen man auf normalem Wege wahrscheinlich nie begegnet wäre.

Aber diese Menschen muss man früher oder später auch auf “normalem” Wege treffen. – Denn es geht immer noch nichts über Augenkontakt und persönliche Gespräche, um einzuschätzen, ob man wirklich auf einer Wellenlänge liegt, ob aus einem gelegentlichen Schreiben oder Telefonieren eine Freundschaft entstehen kann. Oder ob eben nicht, was natürlich immer schade ist, aber so ist das mit der menschlichen Chemie nunmal. Natürlich baut man immer nur ein Bild auf, unterfüttert von Wörtern, Fotografien, bestenfalls noch dem Klang einer Stimme. Ob der Mensch hinter diesem Bild zu einem selbst realitätskompatibel ist, erfährt man erst im “richtigen” Leben, wenn man Bewegungen, Gesten, Mimik sieht, sich auf Augenhöhe begegnen kann.

[“Ich mache mir ein Bild”. Aus 26.546 Zeichen. Mit Dank für diese 4.299 Wörter an Fitzcarraldo.]

Oder: Gibt’s eine neue Beziehung auch via Online-Shopping?

Das Internet erlaubt uns etwas, das das Offline-Leben nicht erlaubt: Das schnelle Bekanntschaften-Machen, und es ermöglicht uns, diese mindestens genauso schnell wieder loszuwerden.
Wer war schon einmal bei einer Online-Partnervermittlung? Natürlich niemand. Und deshalb verrate ich euch jetzt etwas, das ich vor langer Zeit vom Leben gelernt habe: Fast Food.

Damit meine ich nicht, dass es da unbedingt um schnellen Sex geht. Aber dort wird die Oberflächlichkeit, die schon offline und erst recht online grassiert (Ausnahmen sind selten) auf die Spitze getrieben.

Nr. 3 sieht auf dem Handyfoto ja mal richtig scheiße aus – weg. Nr. 4, 7, 9, 10 auch. Nr. 12, 13-21 und 28 sollten mal was über die deutsche Rechtschreibung lernen – weg. Nr. 1, 29, 35 und 38, ach nee, nicht so ganz mein Typ – weg.

Man beginnt, Mr. oder Mrs. Perfect hinterherzuklicken, “…ob sich nicht [hinter dem nächsten Profil] was Bess’res findet.” Und entdeckt ganz schnell, wie irre oberflächlich man selbst eigentlich sein kann. Beginnt, Menschen zu sortieren – nach ihren Fotos, ihrer Rechtschreibung, danach, wie originell ihre Profiltexte sind. Man erwischt sich dabei, dass man genau so ist, wie man nie sein wollte, das tut, was man immer mit “ich doch nicht, das würde ich nie tun!” abgewehrt hatte. Und wenn einem das klar wird, löscht man sein Profil.

Weil man merkt, dass es vielleicht gar nicht pro Tag 30 Möglichkeiten braucht, jemanden kennenzulernen. Sondern vielleicht eine einzige Begegnung auf einer belebten Straße. Aber das ist was für die Romantiker und gehört nicht hierher.

Denn das hier ist nicht romantisch, Babe. Das ist das Internet. Und das bringt nur Ärger.

Abrissbirnen

Auch ohne das Internet hat man Kontrolle über sich und seine Daten nur, so lange sich diese noch im eigenen Kopf befinden und so lange man selbst noch Herr seines Handelns ist. Einmal etwas getan, ausgesprochen, aufgeschrieben, beginnt der Kontrollverlust – man wird fotografiert oder gefilmt, Ausgesprochenes wird weitererzählt, -getratscht, Notizen können verloren gehen. Deshalb wird von Bankangestellten verlangt, dass sie die Kombinationen für bis zu 6 bis 10 Tresore auswendig können. Deswegen essen die Protagonisten in Hollywoodfilmen Zettel auf.

Und in diesem Offline-Leben beginnen die Schwierigkeiten, die die Wundertüte Internet mit sich bringt. Offline rächt sich, was ich online falsch gemacht habe. Tippe ich meine Daten in ein Formular und klicke “absenden” und “speichern”, oder notiert mein Musikplayer jedes Musikstück, das ich spiele, direkt online, gebe ich jedes Mal etwas von mir preis. Poste ich bei Twitter “CDU-” und “Tierschutzpartei+”, klaue ich mir selbst, zugespitzt betrachtet, einen Teil meines Wahlgeheimnisses. Und erzähle ich in meinem Blog von meinem letzten Urlaub in Grönland, bin ich de facto die Abrissbirne meiner eigenen Privatsphäre.

Jeder kann selbst entscheiden, ob er jeden seiner Schritte beobachtbar machen will. Ob er eindeutig Stellung zu politischen Themen bezieht, ob er unter seinem Echtnamen über gescheiterte Beziehungen tippselt und ob er in einem Social Network angeben will, dass er Single und an Frauen interessiert ist. Meiner Meinung nach kommt es nicht einmal so sehr darauf an, ob man das tut oder nicht, das muss jeder selbst wissen. Aber genau um dieses “Wissen” geht es – darum, dass man sich bei jedem einzelnen Klick dessen Konsequenzen bewusst ist. Denn in erster Instanz bin ich selbst meine größte Gefahr.

Die Unberechenbarkeit der grauen User-Masse

Zusätzlich ist auch zu differenzieren, was genau ich wem erzähle – denn im nächsten Schritt sind “die anderen” eine Gefahr für meine Daten und damit mich. Schreibe ich in meinem Blog, bei Twitter oder bei Jetzt, trete ich vor eine wabberige, graue Masse von mir Unbekannten, aus der vielleicht 2 oder 3 hervorgucken, die ich persönlich kenne. Daher habe ich keinerlei Ahnung, was daraufhin passiert. Für mich bleibt unberechenbar, ob die Unbekannten mich hassen werden, mich lieben oder gar meinetwegen eine neue Religion gründen und mich anbeten. Und wenn sie mich umbringen wollen, mit zwei Klicks meine Adresse finden und am Tag danach vor meiner Haustüre stehen, – habe ich ein kleines Problem. Dann kann ich mich nicht damit herausreden, das sei “ja nur online” gewesen.

Erzähle ich bei jetzt.de jemandem etwas in einer Botschaft, sitzt da anfangs auf der anderen Seite immer noch ein kleines graues Masseteilchen. Von dem ich nicht weiß, ob ich ihm vertrauen kann. Was es damit anstellt, wenn ich irgendwann vielleicht Vertrauen zu ihm aufgebaut habe und ihm erzähle, dass ich gerade eine fürchterliche Trennung hinter mir, aber schon die nächste Beziehung vor mir habe, ich mich aber nicht zwischen 5 Frauen entscheiden kann, die alle gerne würden, und dass ich gerade außerdem an meiner sexuellen Identität zweifle. Und wenn das graue Masseteilchen dann später einmal weiß, wer ich bin, sich noch später über mich ärgert und mich nie wieder sehen will – wird es einen Artikel über Polygamie schreiben und meinen Echt-Namen darin fallenlassen?

Natürlich muss ich mir so oder so gut überlegen, wem ich was über mich erzähle. Wem ich sage, wer ich bin. Und Brief und Siegel, Gewähr, dass mein Vertrauen nicht missbraucht wird, habe ich selbstverständlich nie. Auch im Offline-Leben können Bekannte Informationen weitergeben. Doch es gibt hier zwei Unterschiede zur Online-Welt:

Zum einen ist die Hemmschwelle online deutlich niedriger. Es ist deutlich einfacher, auf www.youporn.com zu klicken, und zu bestätigen, dass man über 18 ist, als sich in der schummrigen Videothek einen Porno auszuleihen, wenn zufällig gerade die halbe Nachbarschaft auch da ist. Und es ist auch leichter, online einem Exfreund per Gedicht reinzuwürgen, wie schlecht er im Bett war, als endlich mal im richtigen Leben mit ihm abzuschließen. Oder online mal eben in halb Deutschland über einen Herrn zu verbreiten, dass er das männliche Pendant zu einer Schlampe ist, – als das offline in einem so großen Radius weiterzutratschen.

Zum anderen hat sich die Verbreitungsgeschwindigkeit von Informationen vervielfacht. Was es Ende der Woche als Buch gibt steht morgen in der Zeitung steht kommt heute im Fernsehen lief gestern bei Twitter über die Timelines. Wer jemandem also schnell, ohne großen Aufwand schaden will, und sich dabei die Fingerchen nicht schmutzig machen möchte, dem wird das durch das Internet sehr leicht gemacht.

Natürlich kann ich, wenn es gut läuft, auch über die IP-Adresse herausfinden, wer das war, und denjenigen verklagen – aber was nützt mir das? Am Ende bleibt mir womöglich nur noch, eine Firma damit zu beauftragen, meine Online-Identität zu retten, oder selbst Seitenbetreiber zu bitten, beleidigende Inhalte zu löschen, wenn die sich weigern, sie ebenfalls zu verklagen, mir eine möglichst positive “neue” Online-Identität aufzubauen und ein bisschen Suchmaschinenoptimierung zu betreiben. Und dann kann ich hoffen und beten: Dass niemand sich bis Seite 2 oder 3 der Suchmaschinenergebnisse durchklickt oder im Cache blättert.

Es ist kein Wunder, dass regelmäßig in Mailinglisten, Foren und Netzwerken an die “Netiquette” erinnert wird. Es ist nunmal einfacher, einen User zu beleidigen oder zu entfreunden, als das zu tun, wenn derjenige in natura, mit Fleisch und Blut, einem gegenüber sitzt.

Und was soll das jetzt in der Politik?

Ich denke auch, dass sich hier in der Gesetzgebung noch einiges tun muss. Die Politik ist hier immer noch nicht in der Realität angekommen und weit davon entfernt, diese Themen in ihrer ganzen Dimension wahrzunehmen. Es geht da um Persönlichkeits- und Urheberrechte, Wettbewerbsrecht, Strafrecht, Datenschutz, den Schutz von Kindern und Jugendlichen, Medienrecht, Telekommunikationsrecht, und und und.

Natürlich hat sich in den Monaten vor der Bundestagswahl ein Teil dessen in die Öffentlichkeit gedrängt: Als medienwirksam über Kinderpornographie, Stopp-Schilder und deren Wirksamkeit debattiert wurde. Als sich Bürgerinitiativen gegen die Vorratsdatenspeicherung engagierten. Als eine Partei bei den Wahlen antrat, die sich ausdrücklich als Partei der Informationsgesellschaft versteht. Als die Pirate Bay-Betreiber zu hohen Strafen verurteilt wurden.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der mehr Menschen einen Internetanschluss (75,6%, Quelle) als einen Führerschein (Quelle) besitzen. Doch welche Bedeutung das Internet inzwischen hat, und zu welch zentraler Frage sich Bürgerrechte und Datenschutz entwickelt haben, ist trotzdem noch nicht im kollektiven Bewusstsein angekommen. Und der Lobby für den Datenschutz steht noch immer einer riesigen grauen Masse aus Unternehmen, Behörden und Privatpersonen gegenüber, die aus wirtschaftlichen, Sicherheits- oder neugierdeverursachten Interessen einem Ausbau des Datenschutzes eher ablehnend gegenüber stehen.

Natürlich reichen diese Themen weit über das Internet hinaus. Doch da beispielsweise die Datenverarbeitung inzwischen meist über internetfähige PCs erfolgt, ist es von Datensammlung zu deren Verarbeitung und Verbreitung nicht mehr weit, weshalb das Internet hier eine wichtige Rolle spielt, und weshalb sich hier noch einiges tun muss. Den Anfang macht jeder Nutzer für sich selbst.

Talking ’bout my generation

Und wenn dieser Nutzer nachzudenken beginnt, stößt er auf Themen, mit denen sich Generationen vor uns nicht im Traum beschäftigt hätten: Wenn ich mich von meiner Freundin trenne, entfreunde ich mich dann von ihr in allen Social Networks? Mit welchem Username melde ich mich wo an? Stelle ich ein Profilbild ein, wenn ja, welches, soll ich darauf erkennbar sein oder nicht? Wie viele Profile unterhalte ich, was erzähl ich wo von mir? Wenn eine Beziehung oder Freundschaft endet – darf ich darüber dann einen Text schreiben? Benötige ich dafür das Einverständnis der anderen beteiligten Person? Wenn ich online jemanden kennenlerne – wie schaffe ich es, die Erwartungen an denjenigen möglichst klein und mein Bild von ihm in möglichst wenigen Rosatönen zu halten? Damit die Fallhöhe nicht zu hoch wird, falls er nicht so ist, wie ich ihn mir vorgestellt habe? Welche Virenscanner benutze ich, schreibe ich an Google eine E-Mail, weil ich nicht will, dass ich auf Aufnahmen, die die StreetView-Kameras von mir gemacht haben, zu erkennen bin? Welche Feeds abonniere ich, welchen Browser nutze ich, wo kriege ich eine günstige Flatrate her, bei der es nicht 8 Wochen bis zur vollständigen Funktionsfähigkeit dauert?

Man kann sich all das natürlich ersparen, indem man all seine Online-Profile löscht, oder sich natürlich erst gar nicht registriert. Allerdings halte ich das nicht für eine Lösung des Problems, sondern nur ein Umgehen und Aufschieben der Schwierigkeit, sich mit obigen Fragen auseinanderzusetzen und Antworten für sich zu finden. Denn früher oder später wird jeden dieses Thema wieder einholen.

… und die nächste

Irgendwann müssen wir einen Schritt weiter gehen. Was werden meine Kinder davon halten, wenn Fotos vom nackten Bauch ihrer schwangeren Mami bei Flickr zu sehen waren? Und hat eigentlich ein Fötus, der durch eine dünne Schicht aus Haut und Fleisch geschützt ist, der aber trotz dieser Schicht in den Köpfen der Betrachter präsent ist, ein Recht am eigenen Bild?

Unsere Kinder wachsen in einer Zeit auf, in der es bereits Kindergärten mit Computern gibt. Sie werden später den großen Vorteil haben, dass all das für sie eine Selbstverständlichkeit ist. So wie wir heute unseren Eltern und Großeltern voraus sind, ihnen vielleicht in mühevoller Kleinarbeit beibringen, wie man “das Internet”, dieses große, wabernde Ding, bedient.

Genauso wie wir heute vielleicht insgeheim über ihre fast kindliche Freude nach erfolgreichem Hochfahren des Computers und Versenden ihrer ersten E-Mail lächeln. Ebenso werden uns unsere Kinder in einigen Jahren voraus sein. Sie werden im Kindergartenalter das Wort “Onlinekompetenz” rückwärts buchstabieren können, zur selben Zeit unsere schwachen “Kindersicherungen” am PC knacken und spätestens mit 10 wissen, wie der Hase läuft und uns hinter vorgehaltener Hand “Beta-Version” und “Internetausdrucker” nennen.

Ganz ehrlich – die meisten von uns sind doch in dieses ganze Internet-Dings irgendwie reingerutscht. Manche sind froh, wenn ihr Computer wenigstens einmal tut, was sie ihm sagen, andere von uns machen “was mit Computern” beruflich. Aber wer von uns durchschaut wirklich noch, was für Möglichkeiten das Internet bietet? Und welche Chancen, vor allem aber auch welche Risiken daraus drohen?

Unsere Kinder werden all das Computer-Zeugs, das wir uns in teils mühevoller Kleinarbeit angeeignet haben, von klein auf lernen. Schlimmstenfalls kriegen sie ihr erstes kleines Netbook in die Wiege gelegt. Und wir haben damit eine ganz andere Verantwortung als noch unsere Eltern und Großeltern – es wird dann unsere Aufgabe sein, sie zu schützen. Und zwar nicht nur vor dem bösen Nachbarshund, unfreundlichen Nachbarn, bösen Menschen im Allgemeinen, sondern auch vor dieser grauen Masse Internet und den Menschen, die sich dort herumtreiben. Wir werden sie warnen müssen, und es wird unsere Aufgabe sein, ihnen etwas zu erklären, was die wenigsten von uns wirklich noch begreifen können.

Aber trotz allem, und auch wenn ich Dich nie ganz verstehen werde:

Liebes Internet, ich danke Dir. Für die News und die Infos, die Songtexte, die Kochrezepte, die Bilder, die Musikempfehlungen, und die Menschen, die Du mir beschert hast.

Aber die schönsten Momente waren und sind immer noch die, in denen Du ausgeschaltet bist.

Dich kann man nicht ausschalten?

Tja… es muss eben auch noch Dinge geben, die Du nicht weißt.

[Eine Anmerkung noch, zur Vermeidung von Missverständnissen: Die in diesem Text preisgegebenen persönlichen Informationen stehen exemplarisch für Beobachtungen der Autorin und stellen nicht unbedingt deren persönliche Verhältnisse dar. Und allein die Tatsache, dass ich diesen Hinweis unter genau diesen Artikel schreibe, spricht für sich und dafür, dass Ironie-Tags nie schaden können.]

Leave a comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *