Diskussion über Umgang mit kriminellen Jugendlichen

Das Medienecho auf die Gewalttaten, die in den letzten Tagen von (teilweise ausländischen) Jugendlichen verübt wurden, war gewaltig. Hier einige Beispiele (jeweils verlinkt):
Süddeutsche Zeitung
BildZeitung
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Neben den Medien, die diese Taten durchweg schockiert, teilweise feixend (“das habt ihr davon”) kommentierten, gab es auch ein sehr großes Echo in der Politik. Den Anfang dazu machte Roland Koch, seines Zeichens Ministerpräsident von Hessen, mit einem Interview (Link) in der Bild-Zeitung, bei dem er wissenschaftlich fundiert feststellte: “Wir haben zu viele junge kriminelle Ausländer.” Die Schlagzeile wirkte – als ich in meiner Mittagspause im naheliegenden Supermarkt einkaufen war, stand ich auch erst einmal mit offenem Mund am Zeitschriftenständer. Was mich an der Aussage stört? “Zu viele”? “Junge”? “Kriminelle”? Oder doch die “Ausländer”??
Mich stört in erster Linie das, was danach kam. Denn seine Aussage löste in erster Linie eine nicht enden wollende Debatte über Kochs Aussagen aus und führte bei vielen Politikern und Journalisten zu der Feststellung, dass Koch eigentlich zuerst einmal gar nichts sagen brauche – er habe eben diese Probleme mit verschuldet. Erst mit den Nachwehen und den nächsten Straftaten bewegt sich die Diskussion so langsam auf eine sachliche Debatte über das bisher unbeantwortete Kernproblem zu: Was tun?

Was mir an dieser Diskussion allerdings neben dem oben genannten Problem überhaupt nicht passt: Der Missbrauch des Themas für Wahlkampfmarketingmaßnahmen. Zur Erinnerung: Schon 1999 hat Koch eine Wahl gewonnen – mit einer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Ende Januar ist wieder Landtagswahl in Hessen – seine heiße Phase.

Hier läuft etwas schief. Denn wirklich spannend finde ich die Frage, wie lange noch über Gewaltprävention und -nachsorge in einer derartigen Öffentlichkeit diskutiert werden wird, sobald die nächsten Wahlen passé sind.
Dass derartige Themen, die schon seit Jahren im Argen liegen (allgemeine Integrations-, genauso wie die Familienpolitik), für billige, schnelle Aufmerksamkeitsproduktion und wahltechnisch effektive Propagandamaschinerie (“die rot-grüne Kuschelpolitik musste doch dahin führen!”) missbraucht werden, statt für das offensichtlich schwierige Beginnen konkreter, langfristiger Maßnahmen, halte ich für verantwortungslos.
Durch das ständige Aufwerfen der Schuldfrage und das Anbieten von billigen Lösungen à la “wenn wir an der Macht wären…!” (03.01.08, FDP-Landeschefin Birgit Homburger im SWR1-Radiointerview) kommen wir nicht weiter. Und auch mit zweifelhaften Äußerungen wie “in Deutschland soll kein Deutscher sich fürchten müssen!“, ebenfalls von Birgit Homburger, schürt man nur wieder den Verdacht ausländerfeindlicher Gesinnung. Mehr erreicht sie dadurch nicht. Darf denn dann ein Afrikaner in Deutschland vor den Deutschen Angst haben müssen? Ist ja nicht sein Land…

Es existieren im Jugendstrafvollzug bereits einige sehr sinnvolle Projekte, beispielsweise auch zur Integration der Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Arbeitsmarkt. Für mehr Sinnvolles fehlen Geld, Zeit und – Interessen. Es gibt nunmal Themen, die länger auf den ersten Seiten überleben als ein paar Rentner mit blauen Flecken. Wenn wir uns aber nicht eine Kinder- und Enkelgeneration von Klein- und Großkriminellen heranziehen wollen, können wir nicht mehr mit “Maßnahmen” anfangen, wenn das Kind schon im Brunnen liegt.
Ich habe in meinem Heimatort derartige Bemühungen um die Integration russischer, nicht-krimineller Migranten erlebt. Diese endeten nach der vierten Totalzerstörung mit einer Kapitulation des (engagierten!) Bürgermeisters und der Schließung des Jugendhauses, das eine Stätte der Begegnung hätte werden sollen. Ob es eine Lösung ist, dass es den zugehörigen Sozialarbeiter nun auch nicht mehr gibt, ist eine andere Frage.

Wenn Eltern in einer eigenen kleinen, nicht- oder kaum deutschsprachigen Welt leben, Kinder in ihrer Clique bleiben, auf dem Schulhof und im Unterricht auf Türkisch /… geflüstert wird, das anders-Sein vielleicht auch durch das Tragen eines Kopftuchs, andere unbekannte Bräuche, eine unverständliche Sprache und nicht vorhandene Kommunikation zwischen den Kulturen gefördert wird, entsteht eine Parallelgesellschaft, statt Brücken zu bauen werden Gräben immer tiefer. Integrationsförderung, Ideen wie zweisprachige Kindergärten oder Schulen mit Wachpersonal, aber auch Projekte zur Reintegration straffällig gewordener Jugendlicher in die Gesellschaft – sie sind immer dann Thema, wenn man damit gerade polarisieren kann, wenn bei jeder Fußgängerzonenumfrage jedes 08/15-Radiosenders jedem Passanten sofort etwas Wichtiges dazu einfällt.

Schade eigentlich. Ganz abgesehen davon, dass fremde Kulturen sehr bereichernd für unseren grauen, angestaubten, “deutschen” (ist ja nun wirklich fast schon ein Schimpfwort, gleichzusetzen mit “spießig” und “langweilig”) Alltag sein könn(t)en – hey, diese Politiker verbauen sich damit, dass sie nichts für die Jugend tun, ihre eigenen Rentenzahlungen. Wenn wir alle kriminell werden und im Gefängnis landen, wovon sollen die Ärmsten dann bloß noch leben??

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